Schulen im Visier: Der globale Kampf zwischen Erdo˘gan und Gülen
Bildung. Die Bewegung des islamischen Predigers betreibt ein dichtes Netzwerk an Lehranstalten in aller Welt. Ankara will Kontrolle über die Schulen – mit einer eigenen Stiftung.
Er sei Recep Tayyip Erdogan˘ nie nahegestanden. Als der heutige türkische Präsident vor über zehn Jahren seine Partei gründen wollte, habe er ihn, Fethullah Gülen, besucht. Nach einem Gespräch über die mögliche politische Ausrichtung der Partei und vielen Ratschlägen Gülens habe Erdogan˘ schon im Lift zu seinen Weggefährten sinngemäß gesagt: Mit dieser Bewegung räumen wir auf. Wenn sich Gülen an vergangene Zeiten erinnert, klingt das so, als wären sich beiden Männer nie ganz grün gewesen. Stimmen kann das freilich nicht wirklich: Im vergangenen Jahrzehnt waren die AKP und die Bewegung des Predigers derart eng ineinander verwoben, dass sie gemeinsam die Türkei dort hingebracht haben, wo sich das Land heute befindet: im innenpolitischen Chaos.
Gülen ist für die türkische Regierung das Gesicht und der Drahtzieher des gescheiterten Putsches von vergangenem Juli. Zwar war es bis heute nicht möglich, die genaueren Umstände dieser ominösen Nacht ans Licht zu bringen. Fest steht nur, dass Gülen und Erdogan˘ vor mehr als drei Jahren ihre Feindschaft mit einem saftigen Korruptionsskandal besiegelt haben und dass die GülenBewegung seit der Putschnacht noch stärker ins Visier Ankaras gerückt ist. Zehntausende mutmaßliche Gülenisten sind in der Türkei in Haft, Medien in Ländern wie Deutschland, Österreich und der Schweiz berichten von Spionage und Bespitzelung von Mitgliedern der Bewegung, auf Eigeninitiative in Moscheen, aber auch seitens des türkischen Geheimdienstes.
Aber der eigentliche Kampf zwischen Gülen und Erdogan˘ findet auf einer anderen Ebene statt, und zwar hauptsächlich außerhalb Europas. Gülen hat in den vergangenen Jahrzehnten ein dichtes Schulnetz aufgebaut, darauf stützt sich auch sein immenser Erfolg, denn hier konnte er fortwährend Nachwuchs rekrutieren. Mittlerweile sind die Gülen-Schulen in der Türkei kaum mehr existent, die meisten sind entweder geschlossen oder in staatliche Imam-HatipSchulen umgewandelt worden, also religiös ausgerichtete Gymnasien. Im Ausland kann die AKP natürlich nicht derart frei agieren; Ankara hat sich jedenfalls an jene Länder gewandt, die Gülen-Schulen beherbergen, und Konsequenzen gefordert.
Von Guinea bis Georgien
In Pakistan ist der Fall einer Gülen-nahen Schule, der PakTurk International Schools and Colleges, jüngst vor Gericht gelandet. Weil Ankara die Auslieferung der türkischen Lehrer verlangte, haben die Betroffenen Asyl beantragt. Schließlich hat das Höchstgericht in Lahore entschieden, dass die Lehrer nicht abgeschoben werden dürfen. PakTurk hat Niederlassungen in zehn pakistanischen Städten, neben türkischen Lehrern unterrichten auch einheimische Pädagogen. Wie bei allen Gülen-Schulen gilt auch hier der Vorwurf, dass Kinder über Bildungseinrichtungen von dieser islamischen Sekte indoktriniert und instrumentalisiert würden. Dafür spricht der klandestine und intransparente Aufbau der Bewegung. Als Laie ist dem Besucher in den meisten Fällen gar nicht bewusst, dass er sich in einer Gülen-Institution befindet. Die Bewegung selbst weist die Vorwürfe zurück, man bringe den Kindern Dialogfähigkeit und Toleranz bei, man sieht sich in der Tradition von französischen und britischen Schulen im Ausland.
Wenn es um die Außenwirkung geht, legen die Gülen-Schulen ihre religiöse Ausrichtung ab. So wirbt die Turkish Light International School in Liberia damit, Wert auf naturwissenschaftliche Fächer zu legen, während die AKP in der Türkei darüber diskutiert, ob Darwin aus den Schulbüchern gestrichen werden soll.
Für die Gülen-Bewegung haben sich die Schulen in Afrika bisher als sehr fruchtbar er- wiesen. Die Mittelklasse in Boom-Ländern kann sich teure Privatschulen wie die französischen noch nicht leisen, die türkischen hingegen liegen preislich im Mittelfeld und die Pädagogen gelten als gut ausgebildet. In Tansania betreibt die Bewegung sogenannte Feza-Schulen, erst Ende Jänner wurde bekannt, dass neben Dar es Salaam, Zanzibar und Arusha ein weitere Niederlassung in der Hauptstadt Dodoma eröffnet werden wird.
In Guinea hingegen konnte sich Ankara gegenüber der Bewegung behaupten: Drei Vorschulen, zwei Volksschulen, zwei Hauptschulen, zwei Gymnasien und zwei Internate hat die Maarif-Stiftung von den Gülenisten „übernommen“. Maarif ist eine junge Einrichtung der Regierung, die, wie die GülenBewegung, türkische Schulen im Ausland fördern will. Inoffizielles Ziel: Aus den klandestinen Gülen-Schulen in aller Welt sollen staatlich kontrollierte Maarif-Einrichtungen werden. Auch diese Stiftung sieht sich in der Tradition europäischer Auslandsschulen.
Investitionen von Schulen abhängig
Wie in Guinea sollen die Gülen-inspirierten und recht erfolgreichen Afghan-Turk-Schulen in Afghanistan auch der Maarif-Stiftung übergeben werden, das hat Präsident Ashraf Ghani jüngst angedeutet. Einem Gülen-Medium zufolge besuchen derzeit rund 8000 Schüler die Afghan-Turk-Schulen. Bildungseinrichtungen, die dem Netzwerk des Predigers zuzuordnen sind, finden sich auch in Madagaskar, Mozambique und Uganda. Die Nejashi Ethio-Turkish International Schools in Äthiopien sollen unterdessen an einen noch unbekannten Investor verkauft worden sein, der Shahin-Schule im georgischen Batumi steht wohl ein ähnliches Schicksal bevor.
Gülen-nahe Schulen wie diese sind privat oder halbprivat, bisher wurden sie über Spenden, Schulgelder und das Firmenkonglomerat des Netzwerkes betrieben. In Wien zählt das Phönix-Gymnasium in Favoriten als Gülen-nah, weltweit zählt die Bewegung über 1000 Bildungseinrichtungen, auch in den USA, wo Gülen im Exil lebt. Nun, ganz folgenlos bleibt die Putschnacht für die Bewegung im Ausland jedenfalls nicht. Bei seinem letzten Besuch in Afrika hat Erdogan˘ angedeutet, türkische Investitionen in Ländern wie Tansania davon abhängig zu machen, wie das Land mit Schulen Gülens umgehe. Der Kampf zwischen den beiden Männern ist längst eine Staatsaffäre geworden.