Franziskus – eine „Provokation“für die Bischöfe
Interview. Der Kopf der Pfarrer-Initiative, Helmut Schüller, fordert von den Bischöfen volle Unterstützung für Papst Franziskus. Seine Kritik: Die Kirche betreibe zum Teil eine Vertreibung der Gläubigen.
Die Presse: Wann wurde eigentlich die Pfarrer-Initiative aufgelöst? Helmut Schüller: Bis jetzt nicht. Wir bestehen seit elf Jahren . . .
Die Frage stellt sich, weil man zuletzt von Ihnen wenig hört. Das ist richtig, wir sind in den Windschatten geraten. Entstanden sind wir in der Auseinandersetzung mit Benedikt XVI. Dann kam Franziskus und hat vieles angesprochen, wofür wir kämpfen. Wir wollten ihm keine Bärendienste leisten und ihm vorlaut ins Wort fallen.
Das ist aber ein neuer Wesenszug der Pfarrer-Initiative, nicht vorlaut sein zu wollen. Ja vielleicht. Jetzt hat sich überhaupt einiges geändert. Jetzt sind die, die uns vorgeworfen haben, ungehorsam zu sein, in einem ganz krassen Sinn ungehorsam geworden. Wenn man an die konservativistischen Kreise denkt, die meinen, den Papst zurechtweisen zu müssen, dann gibt es einen interessanten Rollenwechsel.
Jetzt fordern Sie also plötzlich Romtreue ein. (Lacht.) Ja, gegenüber Franziskus.
Dennoch, ist Ihre Bewegung nicht obsolet geworden? Keineswegs, obwohl es bis in unsere Mitgliederreihen manchmal die Idee gibt. Im Augenblick schaut es so aus, dass der Papst von den Bischöfen überhaupt keine Unterstützung erhält. Langsam ist es Sache der Kirchenbasis, ihn zu unterstützen. Reform muss zäh errungen werden, meist von der Basis.
Sind Sie enttäuscht, dass unter Franziskus nichts weitergegangen ist in Themen, die Sie fordern, wie Abschaffung des Zölibats oder Priesterweihe für Frauen? Natürlich sind wir ungeduldig, und zur Ungeduld gehört ein bisschen Enttäuschung dazu. Immerhin hat der Papst zuletzt gemeint, man könnte über die Weihe verheirateter Männer diskutieren. Damit ist ein Türspalt offen. Da vermissen wir, dass es keine Bischöfe gibt, die daran anknüpfen und sagen: Wir haben Vorschläge.
Kardinal Schönborn hat als Reaktion vor vorschnellen Lösungen gewarnt. Vorschnell? Jetzt reden wir 50 Jahre über den Priestermangel, was wäre daran vorschnell, jetzt endlich Vorschläge zu machen?
Sie würden sich also mehr Initiativen auch der österreichischen Bischofskonferenz erwarten? Natürlich. Der Papst rüttelt ja an den Konferenzen und sagt: Tut etwas. Er will mit ihnen gemeinsam die Kirche leiten, und es wird immer noch gewartet und gewartet. Bischofskonferenzen könnten ja ein Experiment gemeinsam mit dem Papst starten. Da vermissen wir total die Initiative.
Woher kommt das Zögern? Ist es Ängstlichkeit der Bischöfe vor Neuem oder weil sie inhaltlich in Opposition zum Papst stehen? Es wird wohl beides sein. Es wird auch welche geben, die übereinstimmen, aber sagen: Wer weiß, wie das ausgeht, ich möchte mich nicht auf der falschen Seite wiederfinden, wenn Papst Franziskus unterliegen sollte.
Haben Sie die Befürchtung, dass der Papst resigniert? Es könnte sein. Ich habe aber eher das Gefühl, dass er eine beträchtliche Zahl von Jahren weiterkämpfen wird. Er möchte die Kirche mit aller Kraft auf einen Weg bringen, der uns auch sehr interessiert, nahe bei den Menschen zu sein, lebendige Gemeinden zu haben, in und für die großen Themen der Zeit engagiert zu sein und offen für Erneuerungen auch der Strukturen der Kirche zu sein.
Was konkret erwarten Sie sich von Österreichs Bischöfen? Sie sollten sich ein Beispiel an der maltesischen Bischofskonferenz nehmen und sich deren Schreiben anschließen. Die haben Stellung bezogen, dass die wiederverheiratet Geschiedenen ihrem Gewissen entsprechend handeln sollen, was den Empfang der Sakramente be- trifft, und nicht warten, bis ein Priester die Zustimmung erteilt. Wenn ein Papst sagt: Macht mutige Vorschläge, dann ist das mehr als eine Einladung, das ist eine Provokation. Es geht um die Frage: Welche Bischöfe braucht der Papst, welche Bischöfe brauchen die Diözesen und Gemeinden?
Wie beantworten Sie die Frage? Neben der mittlerweile in Österreich selbstverständlichen Dialogfähigkeit müssen Bischöfe Menschen sein, die etwas riskieren. Welche Bischöfe in Österreich entsprechen Ihrem Anforderungsprofil? Ich sehe keinen. Ich sehe vorsichtige, dialogbereite Herren, so richtige Aufwecker erlebe ich nicht.
Der Münchner Kardinal Marx hat kürzlich für seine Erzdiözese ein neues Gemeindemodell ausgearbeitet, das Laien mit der Leitung von Pfarren beauftragt. Ist das die Zukunft? Die Leitung der Gemeinde und die Verantwortung für deren Zukunft sind eine Sache der Gemeinde selbst. Der Bischof ist ein Begleiter. Es gibt in allen Gemeinden, die einigermaßen lebendig sind, Getaufte ohne Weihe, die die Gemeinde informell leiten. Denen mehr zuzutrauen, ihnen Sakramentenspendung anzuvertrauen ist der einzige Weg. Da hat Kardinal Schönborn eine interessante Initiative gesetzt, er hat in der neuen Pfarrgemeinderatsordnung das Element des Pfarrleitungsteams eingefügt, das den Pfarrer unterstützt. Das ist ein erster vorsichtiger Schritt.
Der von Ihnen angesprochene Kardinal Schönborn weist darauf hin, dass es auch einen Gläubigenmangel gibt, nicht nur einen Priestermangel. Ist das nicht die Kehrseite der Medaille? Zum Teil betreibt die Kirche Gläubigenvertreibung. In der Art, wie Menschen abgekanzelt werden, haben wir viel auf dem Kerbholz. Natürlich haben wir uns auch in vieler Hinsicht vom Lebensgefühl moderner Menschen wegbewegt.
Ist der Rückgang an Katholiken überhaupt umkehrbar? Es ist nicht leicht, aber möglich.
wurde 1991 Präsident der Caritas Österreich und 1995 Generalvikar der Erzdiözese Wien. 1999 entließ ihn Kardinal Christoph Schönborn wegen „tief greifender Meinungsverschiedenheiten“aus seinem Amt, Schüller wurde Pfarrer in Probstdorf im Marchfeld. 2006 stellte er gemeinsam mit Pater Udo Fischer die Pfarrer-Initiative vor, die eine kritische Linie gegenüber der Amtskirche fährt und die Zulassung von Frauen und Verheirateten zum Priesteramt fordert.