Die Presse

Schafbergb­ad und Priesterse­minar: Wie ein Wiener Video viral ging

Musik. Für ihr Video „Les Pauli“haben Bartolomey Bittmann an 281 Orten in Wien gespielt – und damit in zwei Wochen mehr als eine Million Menschen erreicht.

- VON TERESA SCHAUR-WÜNSCH

Es war am Freitag vor drei Wochen, Bartolomey Bittmann waren gerade in Innsbruck vor einem Auftritt beim Soundcheck. Um drei Minuten nach drei ging Matthias Bartolomey auf Facebook und klickte auf „posten“. Während sein Kollege Klemens Bittmann weiterprob­te, schielte Bartolomey immer wieder aufs Handy, ein Freund schickte laufend SMS, jedes Mal, wenn ihr Stück „Les Pauli“eine weitere Schallmaue­r durchbrach. Vier Stunden, nachdem das Video online gegangen war, hatten es 300.000 Menschen gesehen. Zwei Wochen später waren es eine Million.

Eine ziemlich bemerkensw­erte Zahl für einen Cellisten und einen Geiger. Dabei, versichern die beiden Musiker, hätten sie nicht bewusst auf einen viralen Hit geschielt. Schon aber ein richtig schönes Video machen wollen, und eine Hommage an Wien. „Man müsste uns viel Geld zahlen, damit wir das Gleiche für Tokio oder New York machen“, sagt Bittmann, so viel Arbeit sei es gewesen.

In dem schnell geschnitte­nen Clip spielen die beiden einfach ihr Stück – auf der Stadtbibli­othek und beim Geigenbaue­r, in Schönbrunn und auf der Baustelle, auf einer Verkehrsin­sel der 2er-Linie und in der 49er-Straßenbah­n, am Donaukanal und bei der Liliputbah­n, im Haus des Meeres und vor dem WC auf dem Zentralfri­edhof, in der Neustiftga­sse und auf der Nordbrücke, im Museumsqua­rtier und in der Lugner City, im Schafbergb­ad, im Priesterse­minar, im Volks- und im Weingarten, auf der Trabrennba­hn und im Musikverei­n, im Bundeskanz­leramt, im Rhiz und in der Garage X, im Böhmischen Prater, auf Balkonen, in Wohnzimmer­n und in den Katakomben des Stephansdo­ms. Ein visuelles Such- oder Erkennungs­spiel, das von Europa nach Amerika schwappte, dann nach Asien und in den arabischen Raum.

Insgesamt 281 verschiede­ne Wiener Miniatursz­enen hat das Duo dafür zwischen September 2015 und November 2016 gedreht. Möglich gemacht hat es der Fotograf und Videokünst­ler Max Parovsky, „er war“, sagt Bittmann, „genauso begeistert dabei wie wir“. Parovsky und Bartolomey haben als Wiener auch die „kultigsten Orte“auf die Liste gesetzt, „ich als Grazer“, sagt Bittmann, „habe dabei Wien endlich einmal richtig kennengele­rnt“.

Neue Musik für alte Instrument­e

Apropos kennenlern­en. Zusammenge­führt hat das Duo vor fünf Jahren ein Popprojekt, Bittmann schrieb damals die Arrangemen­ts. „Wir haben uns sofort gut verstanden“, sagt Cellist Bartolomey, „ich habe ihn gefragt, ob wir uns einmal zu zweit treffen wollen und jammen. Wir waren genau richtig gepolt und haben uns zur richtigen Zeit getroffen.“Bartolomey war damals gerade mit dem Studium fertig und im Bemerken, dass er nicht in die Orches- terwelt wollte, als Erster in seiner Familie (sein Urgroßvate­r spielte bei den Wiener Philharmon­ikern Klarinette, sein Großvater Geige, sein Vater war Cellist). Auch Bittmann war auf der Suche nach „einem Projekt, bei dem man sich dedicaten kann“, dem man sich bei vollem Risiko widmet. Die Idee ging schnell auf. Er höre „gespannt, überrascht und begeistert zu“, erklärte etwa Nikolaus Harnoncour­t, bei dem Bartolomey im Concentus Musicus gespielt hatte, und lobte: „Super komponiert und fabelhaft gespielt.“Zwei Alben hat das Duo mit seiner virtuosen, schwer kategorisi­erbaren Mischung aus Klassik und Jazz, Rock und Pop bisher herausgebr­acht, am dritten wird gerade geschriebe­n.

Der Titel des energetisc­hen Stücks „Les Pauli“ist dabei eine Wortspiele­rei, die nicht nur auf die berühmte E-Gitarre Bezug nimmt, sondern auch auf Bittmanns Geige: Sie wurde 1817 von Josephus Pauli in Linz gebaut. Bartolomey­s David-Tecchler-Cello von 1727 ist die Leihgabe einer Wiener Familie, schon sein Vater hat darauf gespielt. „Wir wollten für unsere Instrument­e, die aus einer ganz anderen Zeit stammen, neue Musik schreiben“, erklärt Bittmann die Philosophi­e. Beide nutzen ihre Instrument­e auch für Percussion; er selbst hat sich außerdem von Markus Kirchmayr ein eigenes Instrument bauen lassen, das er Mandola nennt, auch wenn es keine ist, „eher eine Geige mit Gitarrenfu­nktion“.

Sehr gefragt sind inzwischen auch die Noten des Facebook-Hits. Die beiden Musiker teilen sie gern, auch wenn sie mitunter beim Niederschr­eiben ihrer Stücke an Grenzen stoßen. „Wie notiert man, dass man etwa einen Radiohead-Groove braucht?“

 ?? [ Max Parovsky] ?? Im Stadtpark, in der Spanischen Hofreitsch­ule und im Kran: Mehr als ein Jahr lang haben Klemens Bittmann (Geige) und Matthias Bartolomey (am Cello) in ganz Wien gedreht. Auf Facebook wurde das Video weltweit mehr als eine Million Mal aufgerufen.
[ Max Parovsky] Im Stadtpark, in der Spanischen Hofreitsch­ule und im Kran: Mehr als ein Jahr lang haben Klemens Bittmann (Geige) und Matthias Bartolomey (am Cello) in ganz Wien gedreht. Auf Facebook wurde das Video weltweit mehr als eine Million Mal aufgerufen.
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