Die Presse

„Die Osteuropa-Krise ist klar vorbei“

Interview. In den kommenden Jahren wird es überall aufwärtsge­hen, sagt Johann Strobl, der neue Chef der Raiffeisen Bank Internatio­nal. Die Gefahr politische­r Risken ist noch da, aber kleiner.

- VON JAKOB ZIRM

Die Presse: Der ungarische Sozialmini­ster hat den österreich­ischen Banken jüngst mit Verschlech­terungen gedroht, wenn Österreich die Familienbe­ihilfe für Osteuropäe­r kürzt. Macht Ihnen das Sorgen? Johann Strobl: Drohungen machen niemandem eine Freude. Und ich finde es auch wirklich schade, dass es dazu gekommen ist. Denn die Beziehung war in der Vergangenh­eit bereits sehr belastet und hat sich inzwischen wieder normalisie­rt. Dass man nun wieder mit Drohungen anfängt, finde ich schade.

Was könnte eigentlich passieren? Wir können uns nicht vorstellen, dass man sich nur für österreich­ische Banken etwas ausdenkt. Ich glaube also, dass es mehr eine Drohung politische­r Natur war.

Die Raiffeisen Bank Internatio­nal hat selbst ja auch viele osteuropäi­sche Mitarbeite­r, die immer wieder temporär in Österreich sind. Nach welchem Gehaltsniv­eau werden diese eigentlich bezahlt? Wenn jemand in Österreich einen Vertrag hat, dann wird er natürlich nach dem heimischen Niveau bezahlt. Wenn er aber nur ein paar Tage hier ist, um zu lernen, dann bleibt das Heimatgeha­lt.

Ist es für einen Konzern wie die RBI eigentlich ein Thema, dass die Gehaltnive­aus zwischen den Ländern, in denen Sie aktiv sind, sehr unterschie­dlich sind? Nein. Das Gehalt ist ja immer auf das entspreche­nde Land abgestimmt. Und Bewegung unter den Konkurrenz­instituten ist ebenfalls in der Regel auf das Land beschränkt.

Zurück zu Ungarn. Die Regierung Orban´ hat auch in der Vergangenh­eit eine stark nationalis­tische Wirtschaft­spolitik gefahren. Wie riskant ist Ungarn für ausländisc­he Investoren derzeit? Die ungarische Regierung hat in ihrer Politik immer sehr differenzi­ert. Einige Industriez­weige hat sie sehr gefördert. Andere fühlten sich – meiner Ansicht nach zu Recht – benachteil­igt, weil sie sehr hohe Belastunge­n tragen mussten. Ungarn hat ja offen gesagt, dass man die Mehrheit an den ungarische­n Banken in ungarische­r Hand will. Und das wurde mit Übernahmen auch geschafft. Seither hat sich die Lage normalisie­rt.

Die Erste hat Ungarn in die Tochter reingenomm­en, Sie nicht. Haben Sie dadurch Nachteile? Nein. Wir können ganz normal unsere Geschäfte machen.

Wie schaut es grundsätzl­ich mit politische­n Risken in Osteuropa aus? Auch in Polen, Kroatien und Rumänien gab es zuletzt Gesetze, die vor allem Banken negativ betrafen. Die Situation hat sich allgemein sehr beruhigt. Zudem war es für uns erfreulich zu sehen, dass das Verfassung­sgericht in Rumänien eines der geplanten Gesetze klar gekippt hat. Das zeigt uns, dass es die Rechtssich­erheit gibt. Politische Veränderun­gen, und dazu gehören auch neue Gebühren oder Steuern, muss man wie jeder andere akzeptiere­n. Davor kann man nicht davonlaufe­n. Schwierig für uns ist es jedoch, wenn plötzlich rückwirken­de Gesetze erlassen werden.

Als Beobachter erhält man da oft den Eindruck, dass manche Staaten willkürlic­h agieren. Ist dieser Eindruck falsch? Aus der Sicht der negativ Betroffene­n ist der Eindruck einer gewissen Willkürlic­hkeit wohl ganz normal. Wenn man im Land herumfragt, wird man auch manche finden, die darüber jubeln.

Trotz all dieser Risken erzielte RBI im Vorjahr wieder schöne Gewinne in allen Ländern. Sogar in der Ukraine. Ist die Krise Osteuropas wieder vorbei? Ja. Die Krise ist klar vorbei. Man darf auch nicht vergessen, dass es ja nicht eine Krise, sondern eine Reihe von unterschie­dlichen Entwicklun­gen war, die aber ineinander­griffen. Die Finanzkris­e war für uns eigentlich schon bald vorbei. Dann folgte halt die Staatsschu­ldenkrise und dann noch ein paar politische Krisen in verschiede­nen Ländern. Nun zeigen aber die Prognosen, dass es in den kommenden zwei bis drei Jahren eigentlich überall aufwärtsge­ht.

Schaut man sich die Bilanz genau an, sieht man, dass die Abschreibu­ngen für faule Kredite den Unterschie­d zwischen einem dreistelli­gen Millioneng­ewinn und einem ebenso hohen Verlust ausmachen. Diese Abschreibu­ngen werden aber in der Bank intern definiert. Manche sagen daher, man könne einer Bankbilanz gar nicht mehr trauen. Für mich ist diese Aussage nicht nachvollzi­ehbar. Denn jede Abschreibu­ng kann im Detail genau begründet werden. Die Bank sieht sich ihre Kreditkund­en ja laufend an. Und wenn ein Kunde dann 30, 60 und am Ende 90 Tage nicht mehr zahlen kann, wird sein Kredit eben als notleidend eingestuft. Da gibt es nichts herumzudeu­teln. Aus der Historie gibt es dann statistisc­he Werte, wie hoch dieser Kredit nun im Wert zu berichtige­n ist.

Hat es 2016 nun weniger Kreditvors­orgen gegeben, weil mehr Ungarn und Ukrainer wieder zahlen konnten? Oder weil man alle, die nicht zahlen können, bereits abgeschrie­ben hat? Es ist eine Kombinatio­n aus beidem. Die Risikokost­en laufen im Zyklus immer ein bisschen hinten nach. Denn wenn sich die Wirtschaft in einem Land abschwächt, steigt nach rund sechs Monaten die Arbeitslos­igkeit. Kreditnehm­er, die ihren Job verlieren, haben anfangs aber noch Reserven. Nach weiteren sechs bis zwölf Monaten sind diese verbraucht. Und erst dann werden Kredite notleidend. Genauso ist es aber auch im Aufschwung. Der kommt, es dauert aber eine gewisse Zeit, bis die Kreditnehm­er wieder Arbeit finden und wieder zu zahlen beginnen können. Wir haben Kreditnehm­er, die zwei Jahre nicht zahlen konnten, nun aber wieder zahlen.

Das heißt, die Erholung in der Ukraine ist 2015 passiert, Sie haben sie aber erst 2016 gespürt? Genau.

Sie sagten jüngst, dass nach dem Aufräumen nun wieder die Zeit für Expansion kommt. Wird es wieder einen Boom geben? Nein. Es wird in diesen Ländern ein solides Wachstum von drei bis vier Prozent geben. Das ist ein schönes Wachstum, aber in den Nullerjahr­en war es das Doppelte. Wir sind damit jedoch sehr zufrieden. Denn ein Boom birgt auch immer die Gefahr einer Korrektur in sich.

Haben die Banken selbst auch gelernt? 2007 warb Raiffeisen in Ungarn noch damit, dass eine Bankmitarb­eiterin von ihrem Kreditkund­en gar nicht wissen will, wie viel er verdient, weil er den Kredit auch so bekomme. Das soll es sicher nicht sein. Die Kreditverg­abe hat sich seither deutlich verändert. Es gibt keine Franken-Kredite mehr, und viele Zentralban­ken haben auch andere Kriterien deutlich verschärft. Das hat den ganzen Markt ruhiger gemacht. Denn auch wenn eine Bank sehr vorsichtig war, konnte sich der Kreditnehm­er ja bei einer anderen überschuld­en. Das Problem hatten nachher aber beide Institute.

Was bedeutet das für die Aktionäre? Werden sie je wieder Gewinne wie vor der Krise sehen? Wir glauben, dass wir mittelfris­tig elf Prozent Eigenkapit­alverzinsu­ng erreichen können. Ich glaube, dass ist in einer Phase der Nullzinsen und verschärft­en Kapitalvor­schriften auch ein sehr gutes Investment für die Aktionäre. Sie dürfen nicht vergessen: Wir können mit dem Kapital aufgrund der Regulierun­g heute nur mehr halb so viel Geschäft wie früher machen.

Einzelne Probleme gibt es in Osteuropa nach wie vor. Eines davon ist Agrokor, der größte Konzern Kroatiens, der in massiven Schwierigk­eiten ist. Sie sind eine der Gläubigerb­anken. Wie viel Geld haben Sie im Feuer? Das kann ich aufgrund des Bankgeheim­nisses nicht sagen.

 ?? [ Fabry] ?? „Es ist schade, dass man nun wieder mit Drohungen anfängt“, sagt RBI-Chef Strobl zu den jüngsten Aussagen aus Ungarn.
[ Fabry] „Es ist schade, dass man nun wieder mit Drohungen anfängt“, sagt RBI-Chef Strobl zu den jüngsten Aussagen aus Ungarn.

Newspapers in German

Newspapers from Austria