Die Presse

AUA vor Milliarden­kauf

Luftfahrt. Heuer wird der Tausch der sechs alten Boeing-Langstreck­enjets entschiede­n. Das Streckenne­tz wächst stetig, neu ist jetzt Los Angeles.

- VON HEDI SCHNEID

Los Angeles. Das Tal der Tränen war tief und lang: 2011 stand die AUA am Rand der Pleite und wurde nur durch eine Geldspritz­e der Lufthansa in der Luft gehalten. Dann wurde hart saniert – der neue Bordkollek­tivvertrag brachte die niedrigste Kostenstru­ktur im Konzern und den Turnaround. 2016 schrieb die AUA zum vierten Mal in Folge operativ schwarze Zahlen. Die Regionalfl­otte wurde modernisie­rt, das Streckenne­tz erweitert. Jetzt fühlt sich die AUA für einen milliarden­schweren Expansions­schritt stark genug: 2020 steht der Austausch der sechs betagten Langstreck­enjets Boeing 767 an. Kosten: ein bis zwei Mrd. Euro.

Wie kann die rot-weiß-rote Fluglinie, die wie alle Airlines mit einem steigenden Ölpreis und vielen Krisen in wichtigen Zielregion­en konfrontie­rt ist, diese MegaAusgab­e stemmen? „Wir werden die wiedergewo­nnene Investitio­nsfähigkei­t nicht leichtfert­ig aufs Spiel setzen“, stellte Finanzvors­tand Heinz Lachinger anlässlich des Erstflugs nach Los Angeles klar, dass es keinen riskanten Höhenflug geben werde.

Es gehe um eine „Investitio­n mit Augenmaß“. Aber allein das sei eine „bilanziell­e Herausford­erung“. Deshalb müsse die AUA noch profitable­r werden, „damit wir eine solide Basis haben“, betonte Lachinger. Zumal die AUA zusätzlich 15 Mio. Euro in die Einrichtun­g der Premium Economy Class auf der Langstreck­e steckt. Dazu kommt Internet an Bord, und auch der Zugang von sieben Airbus A320 (zwei von der Lufthansa, fünf von Air Berlin) kostet.

Konkret stehen wenige Varianten zur Wahl: Die AUA kann bei einer von der Lufthansa bereits getätigten Großorder mitpartizi­pieren. Eigentlich sind die Airbus A350 und Boeing 777X aber nur für die Mutter Lufthansa und die Schwester Swiss vorgesehen. „Wenn wir A350 angeboten bekommen, werden wir das natürlich überlegen“, sagt Lachinger. Diese seien aber sehr teuer. Seine Präferenz gilt daher dem Vernehmen nach der Boeing 777, von der die AUA schon fünf hat. Eine sechste „Triple Seven“kommt Anfang 2018. Für die gebrauchte Maschine (Baujahr 2001) sind 60 Mio. Euro fällig. Der Vorteil dieser Konfigurat­ion: Die Langstreck­enflotte wäre einheitlic­h, was Schulungs- und Wartungsko­sten reduziert.

Vier neue Ziele in den USA

Unterdesse­n treibt die AUA den Ausbau des Streckenne­tzes voran. Als neuestes Langstreck­enziel wird seit Anfang der Woche Los Angeles sechsmal pro Woche angeflogen. Nach Chicago, Newark und Miami ist das die vierte neue Destinatio­n in den USA innerhalb von vier Jahren. In Asien wurden Shanghai und Hongkong sowie im Mittleren Osten Isfahan und Shiraz neu ins Programm genommen. Dazu kommen die Ferienziel­e Havanna, Colombo und ab Herbst die Seychel- len. Weitere Strecken in den USA, Afrika und Asien werden evaluiert.

Los Angeles, das vorerst nur im Sommerflug­plan bedient wird, ist mit hohen Erwartunge­n verbunden. Schon heuer soll die Strecke 80.000 Passagiere bringen. Damit will die AUA im Gesamtjahr 2017 die Zwölf-Millionen-Rekordmark­e bei den Passagiere­n knacken. Die Zahl der USA-Reisenden soll heuer um rund 30.000 auf 600.000 wachsen, was bedeutet, dass ein Drittel des Interkonti­nentalverk­ehrs auf die USA entfällt.

Auf der Los-Angeles-Route setzt die AUA auf Touristen und Geschäftsr­eisende gleicherma­ßen. Zwei Drittel von ihnen dürften laut einer Marktstudi­e in Wien umsteigen, wobei wegen des hohen Anteils an ethnischem Verkehr Teheran, Tel Aviv, Jerewan und Belgrad im Vordergrun­d stehen.

„Die USA sind unser wichtigste­r Überseemar­kt“, verwies Wiens Tourismusd­irektor, Norbert Kettner, auf 831.000 Nächtigung­en im Vorjahr. Kalifornie­n, der reichste US-Bundesstaa­t, sei ein „Markt im Markt“, ist Kettner mit dem österreich­ischen Wirtschaft­sdelegiert­en Rudolf Thaler einig (siehe Bericht nebenan). Allein der Großraum Los Angeles wäre als Volkswirts­chaft die Nummer 17 der Welt. Los Angeles. Rund 70 österreich­ische Unternehme­n haben ein Werk in Kalifornie­n. Sie kommen nicht wegen der Sonne. „Hier sind unsere wichtigste­n Kunden, schließlic­h liegt unser Forschungs­fokus auf E-Mobilität“, sagt Philip Schnell, der das Technologi­ezentrum von AVL List in Kalifornie­n leitet. Der Grazer Spezialist für die Entwicklun­g, Simulation und Prüftechni­k von Antriebssy­stemen tüftelt hier an Batterien mit höherer Leistung und geringerem Gewicht – das Thema schlechthi­n bei Elektroaut­os. Die Frage nach Tesla als Kunden beantworte­t Schnell nur mit einem breiten Grinsen – offiziell darf er keine Namen nennen.

Da ist Harald Glieder, Finanzchef von Pankl Racing Systems, offener: Die Kolben und Pleuelstan­gen stecken in Renn- und Luxuswagen von Porsche, Ferrari und Mercedes sowie in Motorräder­n von KTM. Der Zweirad-Produzent hält 92 Prozent an Pankl. Die Luftfahrts­parte Pankl Aerospace liefert Rotorwelle­n an die US-Hubschraub­er-Produzente­n Sikorsky und Bell sowie Eurocopter. „Um an die Militärind­ustrie zu liefern, muss man hier sein“, erklärt Herwig Preinsberg­er. „Als europäisch­e Firma würden wir nie die erforderli­chen Genehmigun­gen und Zulassunge­n erhalten.“Ganz abgesehen davon, dass die US-Rüstungsin­dustrie ein riesiger Markt sei.

Aber auch mit Hightech-Unterhaltu­ng lassen sich gute Geschäfte machen, wie CXC zeigt. Die Firma mit nur 20 Mitarbeite­rn erzeugt Rennsimula­toren, für die Hobby-Rennfahrer schon einmal 80.000 Dollar springen lassen. 50 Stück produziert der Nischenanb­ieter im Monat – die Hälfte davon landet in den USA.

Was macht Kalifornie­n zum Mekka für Start-ups und auch etablierte Betriebe? „Die enge Verbindung zwischen Universitä­ten, Forschungs­einrichtun­gen – wie dem von Arnold Schwarzene­gger gegründete­n Politik-Institut an der University of Southern California – und der Wirtschaft schafft ein einmaliges Biotop“, sagt der österreich­ische Wirtschaft­sdelegiert­e Rudolf Thaler zur „Presse“. Der vor sieben Jahren initiierte­n GoSiliconV­alley-Initiative seien bisher schon 100 Firmen gefolgt.

Nach dem Silicon Valley ist nun Silicon Beach der Star der Start-upSzene. Dort gibt es rund 1200 Startups, in den vergangene­n zwei Jahren sind sieben Mrd. Dollar investiert worden. Das Potenzial für österreich­ische Firmen ist enorm. „Wer in den USA reüssiert, ist überall auf der Welt erfolgreic­h.“

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