Die Presse

Mit einem Ziel vor Augen lässt sich jede Krise lösen

Marathonpr­olog. 42,195 Kilometer sind unbestritt­en eine Qual, die Distanz aber zu meistern ist für jeden die Erfüllung. Für Pastor Andreas Eyl und Bruder Rene´ Dorer ist auch der Glaube ein Antrieb, sie betonen das gemeinsame Erlebnis.

- VON MARKKU DATLER

Wien. Jährlich ruft der Wien-Marathon, und das weckt unterschie­dliche Begehrlich­keiten. Bei der 34. Auflage des Laufklassi­kers werden am Sonntag, den 23. April über 42.000 Menschen auf den Straßen unterwegs sein. Es geht wie immer um Sieger, Rekorde, 42,195 Kilometer, Rennen über die Halbdistan­z, zehn Kilometer – es ist ein Lauferlebn­is großer Natur. Dass dann Autofahrer über Sperren oder Fußgänger über Absperrung­en raunzen, versteht sich von selbst. Das gehört in Wien doch dazu.

Wer über einen Marathon spricht, erzählt flott von Vorarbeit, Vorfreude, Training und noch schneller davon, dass ab Kilometer 35 die Qualen beginnen. Dass sie trotzdem Freude bereiten, sogar die Erfüllung sein können, davon sind alle Läufer überzeugt. Ganz besonders sind es aber zwei Tiroler: Pastor Andreas Eyl von der evangelisc­h-freikirchl­ichen Kirchengem­einde Innsbruck und der Franziskan­er Rene´ Dorer aus Telfs.

Eyl ist seit 1995 Laufstammg­ast in Wien, stolz nennt er seine Bestzeit von 3:11 Stunden. Laufen sei seit über 30 Jahren „der beste Ausgleich“, in Laufschuhe­n fände er die besten Ideen, auch für seine Gottesdien­ste, die seit eineinhalb Jahren sonntags stets um zehn Uhr in Innsbrucks Cineplexx-Kino stattfinde­n. „Ich verarbeite viel, ich denke an das Ziel.“

Erst die Qual

Nach Rennen in Berlin, Boston oder Venedig steht heuer in Wien der Auftritt als Familie im Blickpunkt, Eyl bestreitet mit seiner Frau und den beiden Kindern die Staffel. Er betont die Gemeinsamk­eit, lobt die Gruppendyn­amik, den Zusammenha­lt, wenn sich über 40.000 Menschen in Bewegung setzen.

Und die Qual? Sie sei spürbar, permanent existent, real, mit ihr aber auch der Wille, es trotzdem zu schaffen. Es ist Ostern, Eyl wird es wohl auch so seiner Gemeinde erzählen. Es lohnt sich, immer dranzublei­ben, natürlich miteinande­r. „Es ist wie im echten Leben. Da gibt es doch auch oft Krisen. Beim Marathon hält es die meisten in Gang, dass da vorn doch das Ziel auf sie wartet und Tausende Zuschauer applaudier­en. Ein Ziel vor Augen hilft über jede Krise hinweg.“

Dann die Erlösung

In der Gruppierun­g Jog & Pray wird Bruder Rene´ Dorer am nächsten Sonntag (Start um neun Uhr, Wagramer Straße, das Ziel ist auf der Ringstraße, Höhe Burgtheate­r) unterwegs sein. Der Franziskan­er sagt, dass es ermutigend sei, nicht allein zu laufen. Vorbereite­t hätte er sich, „wie immer“, überaus gewissenha­ft, mit dreistündi­gen Einheiten. Sie sollen helfen, seinen Eifer zu befriedige­n, eine Zeit unter vier Stunden ins Ziel zu bringen.

Dass jeder Schritt aber das eigentlich­e Erlebnis sei, vergisst Rene´ Dorer nicht zu betonen. Ebenso den Umstand, das „Privileg der Gemeinscha­ft“des Ordens in Telfs gesondert zu loben. Er könne sonntags einmal leichter fehlen als andere.

Laufen sei für den Seelsorger, der durch YouTube-Videos und die ORF-Sendung „Willkommen, Österreich“landesweit Bekannthei­t erlangt hat, „ein schönes Erlebnis“, in der Natur zu sein sei hohes Gut. Sport zu betreiben, diene der Gesundheit, ein gesundes Herz sei zudem Abbild jedes Glaubens.

Den Marathon zu meistern sei die Erfüllung, es ist ein ernsthafte­r Anspruch fern alltäglich­er Elemente wie Geld, Politik und Wirtschaft. Dass nicht nur er, sondern getrost alle anderen Teilnehmer auch bei jedem Schritt ihre „Sünden büßen“würden, vereine ebenso wie der Umstand, dass nach der Ziellinie die Erlösung warte. Allein dieser Antrieb, nebst dem Glauben an Gott, „das heißt für mich Auferstehu­ng“.

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