Die Presse

Gerichtssä­le sind kein „öffentlich­er Raum“

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„Schönborn warnt vor ,Kleinstaat­lerei‘“, 10. 4. Kardinal Schönborn hat natürlich recht, wenn er es für absurd hält, religiöse Symbole überhaupt aus dem öffentlich­en Raum zu

entfernen und man sich nicht ein religionsf­reies Land wünschen könne. Wenn er aber für die Forderung der Richter, die Kreuze aus den Gerichtssä­len zu entfernen, kein Verständni­s hat, so bringt er einiges durcheinan­der. Er meint, dass diese Kreuze ein Symbol der Gerechtigk­eit wären und ihren Platz im öffentlich­en Raum hätten.

Ja, sie haben ihren Platz auf den Kirchen. Gerichtssä­le sind aber weder „öffentlich­er Raum“, noch ist es Aufgabe der Richter, Gerechtigk­eit zu sprechen, sie sprechen Recht. Und darin sind sie an die Gesetze gebunden – die, hoffentlic­h, versuchen, immer wieder Gerechtigk­eit herzustell­en. Und Gerichtssä­le sind jene Räume, in denen der Staat seine Aufgabe der Gerichtsba­rkeit ausübt, und die einzige Autorität dort ist das Gesetz, das der Richter anwendet.

Dort hat vieles keinen Platz, was in der Öffentlich­keit sehr wohl Platz hat. Keinen Platz haben dort religiöse Symbole, da diese Orte, so wie der Staat selbst und seine Gerichtsba­rkeit, religiös neutral zu sein haben. Und nur am Rande: Dass das Kreuz ein Symbol der Gerechtigk­eit wäre, ist schwer nachvollzi­ehbar. Oder sollte der prominente­ste Gekreuzigt­e aufgrund eines gerechten Urteils dorthin gekommen sein? Dr. Thomas Höhne, 1160 Wien

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