Die Presse

Ein bunter Mix bei dem Allerwelts­fisch Elritze

Zoologie. Heimische Forscher erkannten, dass im Donauraum ab Wien eine eigene Fischart vorkommt, die bisher als Europäisch­e Elritze geführt wurde. Aber genetische Analysen zeigen: Es gibt eine Wiener Elritze.

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„Das passiert bei sogenannte­n Allerwelts­arten öfter: Anhand von morphologi­schen Merkmalen, die schnell erkennbar sind, hält man die Tiere für eine bestimmte Art. Doch durch genetische Analysen erkennt man, dass es sich um mehrere Arten handelt“, sagt Ernst Mikschi, Leiter der Fischsamml­ung im Naturhisto­rischen Museum Wien (NHM). Mit Allerwelts­arten sind solche gemeint, die fast überall vorkommen. Ihr äußeres Erscheinun­gsbild ist an die jeweilige Umgebung angepasst: Eine Elritze in einem idyllische­n See sieht ein bisschen anders aus als eine Elritze derselben Art in einem flott fließenden Bach. Elritzen sind unter zehn Zentimeter lang und kommen europaweit vor.

1836 hat der österreich­ische Biologe Johann Jakob Heckel die Fischart genauer untersucht und erkannt, dass sich die Tiere im Raum Wien von anderen aus westlicher­en Gewässern unterschei­den. Er beschrieb eine neue Art, Phoxinus marsilii, eine Wiener Elritze. Die Exemplare, an denen er die Erstbeschr­eibung unternahm, hinterlegt­e er im NHM. Die Wiener Elritze wurde aber bald angezweife­lt, Heckel selbst war sich zuletzt nicht mehr sicher, ob das wirklich eine eigene Art sei.

Die Wiener Elritze von 1836

Anja Palandaciˇ­c,´ Genetikeri­n der Fischsamml­ung am NHM, nahm sich der Art an und entdeckte mit modernen genetische­n Methoden, dass der Donauraum von Wien bis zum Schwarzen Meer von Elritzen besiedelt wird, die sich genetisch von Elritzen aus dem Westen unterschei­den. Heckel lag also mit seiner Einschätzu­ng im 19. Jahrhunder­t völlig richtig. „Im NHM sind wir darauf spezialisi­ert, aus sehr altem biologisch­en Material DNA zu gewinnen. Mit Methoden, die Heckel natürlich nicht kannte“, erklärt Palandaciˇ­c.´

Gemeinsam mit Harald Ahnelt von der Uni Wien konnte sie bestätigen, dass die Exemplare von 1836 offenbar keine Europäisch­en Elritzen, sondern Wiener waren. Palandaciˇ­c´ zog aus, um frische Fi- sche zu fangen: Im Wienfluss bei Hütteldorf und an anderen Stellen gingen ihr Elritzen ins Netz. Die genetische­n Analysen zeigten, dass alle Funde der Wiener Elritze entsprache­n. „Wir konnten sowohl im alten Museumsmat­erial als auch in heutigen Fischen die DNA der Wiener Elritze finden. Alle untersucht­en Exemplare, vom Einzugsgeb­iet des Neusiedler Sees über die Slowakei und Ungarn bis in die Ukraine entspreche­n der von Heckel beschriebe­nen Art“, sagt Palandaciˇ­c.´ Demnach war

haben Wiener Forscher schon im 19. Jahrhunder­t erstbeschr­ieben. Die Fischsamml­ung im NHM enthält über 2500 Typusbeleg­e: Exemplare, anhand derer neue Arten beschriebe­n wurden.

wurde die Wiener Elritze, Phoxinus marsilii, die 1836 Johann Jakob Heckel beschriebe­n hat, fälschlich mit der Europäisch­en Elritze, Phoxinus phoxinus, gleichgese­tzt. hier immer die Wiener Elritze heimisch, also Phoxinus marsilii, und nicht Phoxinus phoxinus.

„Diese kleinen Fische, die vom Menschen nicht genutzt werden, wurden oft als Futterfisc­he für z. B. Forellen oder Saiblinge in Gewässer eingebrach­t“, erklärt Mikschi. Eine Praxis, die schon seit Kaiser Maximilian vor allem in Gebirgssee­n üblich war. Die weite Verbreitun­g ist also auch ein Nebenprodu­kt von diesem Besatz. „In manchen Alpenseen sind die künstlich eingesetzt­en Forellen und Saiblinge bald wieder verschwund­en. Die Elritze hat sich aber gehalten“, so Mikschi.

Weitere Untersuchu­ngen des Teams sollen nun zeigen, wo ursprüngli­che Elritzenbe­stände leben, die sich nach der letzten Eiszeit angesiedel­t haben – und zu welcher Art diese gehören. „Bisher haben wir schon gesehen, dass die Elritzen in Österreich ein bunter Mix sind. Wir konnten hier bereits genetische Varianten aus Deutschlan­d und Slowenien finden“, erzählt Palandaciˇ­c.´ (vers)

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