Wer traurig ist, sucht Trost bei Schokolade, Keks und Chips. Salzburger Psychologen wollen herausfinden, welche Rolle Emotionen beim Essverhalten haben.
Regenwetter, Ärger mit den Kollegen oder eine Meinungsverschiedenheit mit dem Partner: Auf Emotionen wie diese kennen manche Menschen eine Reaktion – sie gönnen sich zum Trost ein Stück Schokolade, ein Packerl Chips oder eine Pizza zwischendurch. Der Psychologe Jens Blechert nennt sie Traurigkeits-Esser. Emotionen und Essverhalten hängen eng zusammen – im Projekt „NewEat“, an dem seit 2015 am Institut für Psychologie der Universität Salzburg gearbeitet wird, stehen diese psychologischen Aspekte des Essverhaltens im Mittelpunkt.
Diesen Emotionen nähern sich die Forscher von verschiedensten Seiten an. Kürzlich haben rund 700 Probanden im Rahmen einer Untersuchung per Fragebogen beantwortet, bei welchen Emotionen sie mehr oder weniger Lust auf Essen verspüren. Die einfache Formel „Mehr Stress ist gleich mehr Essen“greift nämlich viel zu kurz.
„Es kommt auf die Art der Emotion und auf den eigenen Typ an, ob man in einer Situation mehr oder weniger isst“, berichtet Blechert. Abgefragt wurden Gefühle wie Wut, Angst, Glück, Kummer und eine neutrale Stimmungslage.
Glück macht nicht hungrig
Bei neutraler Stimmung wird üblicherweise von den Probanden auch normal gegessen. Bei Angst oder Wut vergeht vielen der Appetit, vermutlich, weil das Stresshormon Kortisol ausgeschüttet wird, das schon unsere Ahnen auf Flucht oder Angriff vorbereitet hat. Hunger oder Verdauungsaktivität würden da nur stören. Wer Glück oder Freude verspürt, isst meist nicht mehr oder nicht weniger als sonst. Auffällig war, dass Traurigkeit sich bei vielen Teilnehmern in verstärktem Essen ausdrückt.
„Das stimmt mit unserer Hypothese überein, dass Traurigkeit das Bedürfnis nach Trost entstehen lässt“, erläutert Blechert. Wer nicht in den Arm genommen wird, tröstet sich mit erhöhter Kalorienzufuhr, der Begriff Kummerspeck kommt nicht von ungefähr. Die Traurigkeitsesser sind üblicherweise dicker und neigen eher zu Essstörungen als Menschen, die beispielsweise bei einem Geburts- tag oder zu Weihnachten aus positiver Stimmung heraus mehr essen. Die verschiedenen Esstypen sind relativ gleichmäßig verteilt: Ungefähr ein Drittel isst unbeeinflusst von Emotionen, ein Drittel isst bei Emotionen mehr und ein Drittel weniger.
Bei Frauen spiegelt das Essverhalten die Stimmungen stärker als bei Männern. „Es ist ein bisschen ein weibliches Thema“, weiß der Psychologe. Auch bei krankhaften Essstörungen wie Bulimie sind zu überwiegendem Anteil Frauen betroffen. Überrascht hat den Wissenschaftler, dass die einzelnen Typen ihrem einmal gewählten Muster treu bleiben. Jemand, der aus Kummer heraus zur Schokolade greift, tut das bei Angst oder Glück nicht. Diejenigen, die bei positiver Stimmung mehr essen, neigen umgekehrt bei Traurigkeit nicht dazu, zusätzliche Kalorien zu sich zu nehmen.
Zwischenmahlzeiten im Fokus
Im Fokus der Aufmerksamkeit der Psychologen stehen nicht die normalen Mahlzeiten, sondern die Zwischenmahlzeiten, die eigentlich nicht notwendig sind. Schließlich sind die Snacks zwischendurch das größte Problem, wenn es darum geht, Übergewicht und Essstörungen in den Griff zu bekommen. Dabei bedienen sich die Psychologen modernster Hilfsmittel.
Via App liefern die Studienteilnehmer laufend Informationen zu ihrem Essverhalten: Haben sie zu viel oder zu wenig gegessen? War der Gusto oder der Hunger Auslöser für das Essen? „Mit Hilfe der App können wir sehr viel genauer charakterisieren, wie Personen im Alltag essen“, sagt Blechert. Im nächsten Schritt werden bei Teilnehmern die Gehirnströme gemessen, um herauszufinden, warum sie bei welchen Emotionen mehr oder weniger essen.
am Fachbereich für Psychologie der Uni Salzburg geht den Zusammenhängen von Stimmungslage und ungesundem Essverhalten nach. Erwachsene Männer sollten im Durchschnitt rund 2300 kcal pro Tag zu sich nehmen, Frauen rund 2100 kcal. Bekannte Essstörungen sind die EssBrech-Sucht Bulimie, bei der die Nahrung sofort wieder erbrochen wird, und die Magersucht Anorexie, bei der das Hungergefühl verloren geht. Man kann an den Studien teilnehmen. Infos: www.eat.sbg.ac.at/mitmachen
Dabei interessiert die Psychologen eine Gruppe besonders: Menschen, die unter Stress mehr essen und gleichzeitig ihr Essverhalten ständig im Auge behalten. Sie leiden oft darunter, dass sie ihre selbst gesteckten Ziele nicht erreichen. „Wir möchten die kognitiven Mechanismen herausfinden, warum es bei dieser Gruppe gute und schlechte Tage gibt“, erklärt Blechert. Eine Theorie ist, dass sie ihre Vorsätze zu hoch stecken. „Sie legen sich die Latte so hoch und scheitern deshalb schon beim Frühstück.“Nach dem Motto „Jetzt ist es auch schon egal“wird die Diät auf den nächsten Tag verschoben und aus Frust darüber mehr gegessen.
Positive Verstärkung per App
„Wir arbeiten an einer App, die den Menschen zu Erfolgserlebnissen verhilft“, so Blechert. Es geht um kleinere Schritte und die Anerkennung von Erfolgen. Mit positiver Verstärkung könne man aus der Spirale von Misserfolg und mehr Essen langsam ausbrechen, ist Blechert überzeugt. In einem nächsten Projekt wollen sich die Psychologen übrigens ansehen, ob das Alter beim emotionsgesteuerten Essen eine Rolle spielt oder nicht.