Die Presse

Der Sonnengesa­ng als Inspiratio­n

Hausgeschi­chte. In der Kirche in Neuhaus in der Wart fließen nach der Renovierun­g Innen und Außen nahezu nahtlos ineinander – dank der gläsernen Rückwand der Apsis.

- VON URSULA RISCHANEK

In einem völlig neuen Licht präsentier­t sich die Kirche in Neuhaus in der Wart (Bezirk Oberwart) nach ihrer Renovierun­g im Vorjahr. Und das im wahrsten Sinne des Wortes: Die massive Wand der Apsis, des polygonart­igen Anbaus an das Kirchensch­iff mit dem Altarraum, wurde weg genommen und durch eine Glaswand ersetzt, die ein zentrales goldenes Kreuz in vier Scheiben teilt. Innen und Außen gehen somit schwellenl­os ineinander über. Auch, weil die Glaswand direkt im Boden verankert wurde.

„Wir konnten die Apsiswand nur entfernen, weil die 1958 erbaute Kirche nicht unter Denkmalsch­utz gestanden ist“, sagt Doris Dockner, die den Wettbewerb für die Neugestalt­ung gewonnen und das Projekt in Kooperatio­n mit Maryann Vajdic und Herbst/Tritthart Architekte­n umgesetzt hat. Der Statik wegen musste jedoch der Dachstuhl entspreche­nd verstärkt werden.

Eine Wolke aus Kerzen

Verstärkt wird der Raumeindru­ck durch die ebenfalls neue Gestaltung des Innenraums: Weiß und Gold als Zeichen des Lichts bestimmen das Farb-, und Lichtkonze­pt. So wurde die Decke der Apsis in Gold bemalt, und auch das zentrale Kreuz in der Apsiswand leuchtet in der königliche­n Farbe. Die Sedes, also die Plätze, auf denen Ministrant­en und Pfarrer sitzen, erstrahlen hingegen in Weiß. Altar und Ambo – hier hält der Pfarrer seine Lesung – bestehen auch aus Glas und zwar aus vertikalen Weißglassc­heiben mit einer aufliegend­en, ebenfalls gläsernen Platte.

„Der gläserne Altar ist jetzt keine Barriere mehr zwischen der Schöpfung und den Gläubigen“, ist die Architekti­n überzeugt. Zwei über den Kirchenbän­ken schwebende Gruppen aus Hängelampe­n mit jeweils 15 schlichten, zylindri- schen Beleuchtun­gskörpern aus Glas betonen zusätzlich den leichten, luftigen Eindruck des Gotteshaus­es. Diese Leuchten wurden von jener Fachjury, die die Kirche nach ihrer Renovierun­g mit dem alle zwei Jahre verliehene­n Architektu­rpreis 2016 des Landes Burgenland bedachte, als „gelungenes Gestaltung­selement, vergleichb­ar mit einer Wolke aus Kerzen“bezeichnet. Sie symbolisie­ren im übrigen die Gläubigen, die gemeinsam die Kirchengem­einschaft bilden. Die Kerze selbst stehe als Symbol für den lebendigen Gott, so Dockner.

Näher an den Gläubigen

„Der Sonnengesa­ng des Heiligen Franz von Assisi hat uns zur Gestaltung der Kirche inspiriert“, sagt Dockner, die übrigens auch für das Design von Altar, Ambo und Leuchten verantwort­lich zeichnet. Schließlic­h sei die Kirche ebenfalls einem Franziskan­er, nämlich dem Heiligen Antonius von Padua, geweiht. Angesichts der besonderen Lage, die eine „wundervoll­e Aussicht ins burgenländ­ische Hügelland ermöglicht“, sei es naheliegen­d gewesen, diese gleichsam ins Gotteshaus zu holen. „Wir wollten die Natur und Schöpfung in die Kirche hineinhole­n und diese gleichzeit­ig Richtung Natur öffnen“, erklärt Dockner. Erfüllt mit Licht, Farbe, Wind und Wetter und dem Wesen der Jahreszeit­en wird die Kirche somit zum lebendigen Ort der Begegnung. Oder, wie Dockner sagt: „Jetzt gestaltet das Außen die Messe mit“.

Zum nahezu stufenlose­n Übergang zwischen Innen und Außen hätten sie jedoch auch die Vorgaben der Bauherren inspiriert: Um mehr Kontakt zu den Gläubigen herzustell­en, sollten die vorhandene­n zwei Stufen zum Altartisch entfernt und ein offener Raum für eine zeitgemäße Liturgie geschaffen werden. Mit ihrem Entwurf sei sie von Anfang an zufrieden gewesen: „Wir haben gewusst, dass es passt“, sagt Dockner. „Aber wir waren nicht sicher, ob der Bauherr einen Entwurf von dieser Radikalitä­t in einer kleinen Kirche tatsächlic­h umsetzen wollte“, erinnert sie sich an ihre Bedenken.

Kreuz ohne leidenden Christus

Während der Pfarrer, der Projektlei­ter der Pfarre sowie der Leitende Baukurator der Diözese Eisenstadt von Anfang an von der Lösung überzeugt waren, habe es in der Pfarrgemei­nde doch einige Bedenken gegeben. So musste die Pfarre unter anderem in Zusammenha­ng mit der Wegnahme der Apsiswand viel Aufklärung­sarbeit leisten, so Dockner. Auch die Darstellun­g des Kreuzes ohne leidenden Christus sei anfänglich nicht bei allen Pfarrmitgl­iedern willkommen gewesen. „Aber nach dem Umbau hat es nur positive Rückmeldun­gen gegeben“, freut sich Dockner.

 ?? [ Tom Lamm ] ?? Ganz luftig: Die renovierte Kirche in Neuhaus in der Wart. Die massive Apsis wurde entfernt, eine Glaswand öffnet nun den Blick nach außen.
[ Tom Lamm ] Ganz luftig: Die renovierte Kirche in Neuhaus in der Wart. Die massive Apsis wurde entfernt, eine Glaswand öffnet nun den Blick nach außen.
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