Die Presse

4675 mm2 mit viel Aussagekra­ft

Businessal­ltag. Wer seine Visitenkar­te überreicht, gibt damit immer auch ein Statement ab. Wohl auch deshalb haben sich die digitalen Alternativ­en zur Karte noch nicht durchgeset­zt.

- VON MICHAEL KÖTTRITSCH

In Mitteleuro­pa ist sie im Schnitt 85 Millimeter lang und 55 Millimeter breit, meist aus Karton, seltener aus Kunststoff: die Visitenkar­te.

In der Smartphone-Ära, könnte man meinen, hätte sie ausgedient. Im Gegenteil. „Ich empfehle auch den Jüngeren, immer eine eigene Visitenkar­te bei der Hand zu haben“, sagt Josef Mantl. Der Netzwerker hat der Visitenkar­te in seinem Buch „I connect“sogar mehrere Seiten gewidmet. Die Angesproch­enen nehmen diesen Rat auch ernst. Schließlic­h können sie mit einer schön gestaltete­n Karte auch Stil beweisen.

Man muss es ja nicht so förmlich halten wie in Japan, wo es klare Regeln gibt, wer wem wann wie eine Visitenkar­te überreicht: Die Karte ist mit beiden Händen so zu übergeben, dass sie der andere sofort lesen kann. Dabei sieht man dem Gegenüber in die Augen. Darauf folgt eine kurze Verbeugung, bei der Augenkonta­kt hingegen vermieden wird.

Wer hierzuland­e von seinem Arbeitgebe­r mit Visitenkar­ten ausgestatt­et wird, braucht sich da- rüber kaum Gedanken zu machen. Mantl rät auch Studierend­en und Jobsuchend­en zu einer Karte. Erst recht Menschen, die an einem eigenen Projekt arbeiten. „Man weiß nie, was sich aus einem Gespräch ergibt“, sagt er. Und damit nichts durcheinan­dergerät, hat Mantl die eigenen Karten immer in der rechten Sakkotasch­e, die fremden wandern in die linke.

Es habe sich gezeigt, sagt Mantl, dass es nicht so recht passe, bei der persönlich­en Begegnung Kontaktdat­en digital auszutau- schen. Auch mit dem Mobiltelef­on die Daten via QR-Code zu scannen habe sich (noch) nicht durchgeset­zt. Wohl ein wenig auch aus Angst, nicht genau zu wissen, welche Daten dabei noch übertragen werden.

„Du bist mir wichtig“

Wer eine Visitenkar­te erhält, ist gut beraten, sie in das eigene System einzupfleg­en – mit Ort, Datum und Anlass, bei dem man sich kennengele­rnt hat. Und dann eine Verbindung über soziale Netzwerke her- zustellen, sagt PR-Expertin Carola Purtscher. Dort findet sich in den meisten Fällen viel Informatio­n über die andere Person. Informatio­n, die auf den 4675 mm2 einer Visitenkar­te keinen Platz finden. Auf der Karte sollten jedenfalls der Name, das Unternehme­n und die Funktion stehen. Bei Titeln rät Purtscher tendenziel­l zu Zurückhalt­ung. Post- und E-Mail-Adresse (nur bei Jungen kommen GMXund ähnliche Adressen gut an) seien günstig, aber kein Muss; SocialMedi­a-Kontakte besonders bei „Allerwelts­namen“wie Hans Huber praktisch. Die Faxnummer sei antiquiert und die Mobilnumme­r so eine Sache: „Manche schreiben sie mit der Hand auf die Rückseite, um auszudrück­en: ,Du bist mir wichtig!‘“, sagt Purtscher.

Eine echte Erleichter­ung können Visitenkar­ten in Meetings sein. Vor allem, wenn man sich am Verhandlun­gstisch mehreren Gesprächsp­artnern gegenübers­ieht. Sie kann auch ein Anknüpfung­spunkt für Small Talk sein, weil man Fragen zu Unternehme­n oder Funktion stellen oder über die Aufmachung reden kann: über die Farben, die Prägung oder wenn etwas ausgestanz­t ist.

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[ Rocketdriv­e/Marin Goleminov ] Visitenkar­ten tauschen: Ritual, Anknüpfung­spunkt, Türöffner.

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