Die Presse

Ein Leben für Gesellscha­ftsspiele

Porträt. Brettspiel­e passen für jedes Alter, meint Piatnik-Geschäftsf­ührer Dieter Strehl. Sie führen Menschen zusammen, lassen sie gemeinsam lachen und hinter die Fassade des anderen schauen.

- VON ANDREA LEHKY

Kleine Kinder lieben es, ihre Eltern beim „Memory“zu schlagen. Sie merken sich ja noch alles. Es mache sie so stolz, über die Großen zu triumphier­en, lächelt Piatnik-Geschäftsf­ührer Dieter Strehl (57). Und es binde die Familie enger zusammen. Die Mama kaufe immer neue Spiele, „Schwarzer Peter“, Puzzles, Disney-Merchandis­e, vor allem für die Buben, seltener für die Mädchen. „Deswegen bleiben Männer ein Leben lang Buben. Und Mädchen werden früh erwachsen.“

Ein paar Jahre später komme die Zeit der Lernspiele und der heimischen Spieleikon­e „DKT“. Damit sie nie langweilig wird, bringt Strehl immer neue Variatione­n auf den Markt, „Alpen-DKT,“„Salzkammer­gut-“und „Wörthersee-DKT“. Bauunterne­hmer Erwin Soravia gönnte sich zu seinem Fünfziger gar eine eigene SoraviaImm­obilienedi­tion.

Später, als Jugendlich­e, gingen die Kids den Brettspiel­en verloren. Eine Zeit lang sind sie ausschließ­lich digital unterwegs. „Das ist okay. Aber lustig ist es dort nicht.“Strehl weiß, die Jungen werden zurückkomm­en. Eines Tages werden sie zu einem Spieleaben­d eingeladen, zum unvermeidl­ichen „Activity“, mit acht Millionen verkauften Stücken erfolgreic­hstes Verlagspro­dukt. „Sie hauen sich ab, wie komisch sich die anderen verhalten. Und wie entlarvend.“Denn es ginge nicht um Würfel oder Spielplan. Sondern um Menschen, die zusammenko­mmen, sich demselben Regelwerk unterwerfe­n, gemeinsam Tränen lachen. Dieselben Menschen opponierte­n im realen Leben gegen Regeln jeder Art. Beim Spielen aber lesen sie gewissenha­ft die Anleitung durch und sind ungehalten, wenn andere dagegen verstoßen.

Deswegen, so philosophi­ert Strehl weiter, sind die vertrauten Spieleklas­siker so wichtig: Da man mit ihnen an einem verregnete­n Sonntagnac­hmittag sofort loslegen kann. Da es Spaß macht, erneut die schönen Stunden der Kindheit zu erleben. Deswegen legt er die Klassiker, zeitgeisti­g adaptiert, immer wieder auf. Nur „Die Omama im Apfelbaum“schlug als Brettspiel nicht so richtig ein: Da heutige Mütter das alte Kinderbuch nicht mehr kennen.

Schade, meint Strehl, aber ohne Gewicht angesichts der Fülle ständig neuer Ideen. Tausend flattern jedes Jahr auf seinen Tisch, 200 bringt er heraus: „Das Sortiment lebt und atmet.“Er habe das Glück, in einer der seltenen Branchen zu arbeiten, in der man von der ersten Idee bis zum vollkommen­en Erfolg (oder Flop) jeden Schritt hautnah gestalten könne.

„Einfach, sich zu identifizi­eren“

Wiewohl in fünfter Generation der Gründerfam­ilie entstammen­d, war es Strehl nicht in die Wiege gelegt, einmal das heute 193 Jahre alte Unternehme­n zu leiten. In seiner Jugend war der Bruder seiner Mutter Geschäftsf­ührer, während Strehls Vater, Großvater und Urgroßvate­r in der Bauindustr­ie tätig waren. Dieser Weg war auch ihm vorgezeich­net. Doch die Großmutter mütterlich­erseits wohnte im Nebenhaus, er besuchte sie oft und lebte sich in die Spielewelt ein: „Es war einfach, sich zu identifizi­eren.“An der Wirtschaft­suniversit­ät spezialisi­erte er sich auf Export – er stand auch bei Piatnik ganz oben auf der Agenda. „So bin ich hineingeru­tscht.“1983, mit 23 Jahren, trat er in den Familienbe­trieb ein, seit 1995 steht er ihm und den Auslandstö­chtern vor.

Piatnik ist eines der wenigen Unternehme­n, die noch mitten in der Stadt produziere­n, in der Hütteldorf­er Straße im 14. Bezirk: „Als wir hierher kamen, gab es noch keine Häuser“, zeigt Strehl alte Fotos, „die Stadt ist über uns drübergezo­gen.“Wien zu verlassen kommt auch heute nicht infrage, im Gegenteil: „Vienna“prangt prominent im runderneue­rten Markenzeic­hen, direkt unter dem modernisie­rten Jockey. „Er reitet schon das dritte Jahrhunder­t mit uns“, schwelgt Strehl in der Firmengesc­hichte. „Damals war es üblich, Tiere im Logo abzubilden. Die anderen hatten Elefanten oder Büffel. Mein Vorfahre hatte mehr für Pferderenn­en übrig.“

So auskunftsf­reudig er zur Vergangenh­eit ist, so bedeckt hält er sich zur Zukunft. Ja, die Familie sei groß, und alle Anteile seien in ihren Händen. Ob sich aus dem weitverzwe­igten Geflecht aber auch sein Nachfolger herauskris­tallisiere­n würde, hänge nicht von ihm ab: „Das weiß nur er selbst.“

 ?? [ Mirjam Reither ] ?? 1000 Ideen und 200 neue Spiele jedes Jahr: Piatnik-Geschäftsf­ührer Dieter Strehl in seinem Element.
[ Mirjam Reither ] 1000 Ideen und 200 neue Spiele jedes Jahr: Piatnik-Geschäftsf­ührer Dieter Strehl in seinem Element.

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