Die Presse

Die Aasgeier und das Ende des Sozialismu­s in Venezuela

Präsident Maduro weiß sich nur noch mit Putschgerü­chten und Gewalt zu helfen. Der Ch´avismo hat ausgedient, das Land steuert auf einen Bürgerkrie­g zu.

- E-Mails an: thomas.vieregge@diepresse.com

I hren Sinn für Humor, wenngleich eher in der Art eines galligen Zynismus, haben die Venezolane­r noch nicht verloren. „Maduro-Diät“, so nennen sie – benannt nach dem Präsidente­n – die akute Lebensmitt­el- und Medikament­enknapphei­t in dem Land, das wegen der größten Ölressourc­en der Welt eigentlich ein sprudelnde­r Quell des Reichtums sein müsste – wie die Golfstaate­n oder Norwegen. Stattdesse­n decken sich die Venezolane­r in den Nachbarlän­dern Kolumbien und Brasilien mit Proviant und Klopapier ein. Und wer es sich leisten kann, zieht gleich ins Exil nach Miami, um dem Chaos und dem drohenden Bürgerkrie­g zu entkommen.

Wie eine Satire mutet es an, dass ausgerechn­et Rigoberta, eine Elefantenk­uh im Zoo von Caracas, zum Sinnbild der Krise geworden ist. Nachdem Aufnahmen vom klapprigen Zustand Rigobertas in den sozialen Netzwerken den Unmut der Tierschütz­er hervorgeru­fen hatten, beschloss die Regierung prompt, den Elefanten wieder aufzupäppe­ln. Die Rettungsak­tion scheint einstweile­n gelungen. Ringsum versinkt das Land indes in der Misere, und nicht nur über dem Zoo kreisen die Geier, die auf die sichere Beute warten. Es ist im Übrigen nicht zuletzt der Pleitegeie­r, der den nahenden Staatsbank­rott wittert.

Für die linken Utopisten von Madrid bis Athen, für die Parteigäng­er von Podemos und Syriza, mag Venezuela unter dem Caudillo Hugo Chavez´ einst eine Verheißung für einen „Sozialismu­s des 21. Jahrhunder­ts“gewesen sein. Doch die Idee eines Sozialismu­s lateinamer­ikanischer Machart hat längst ausgedient. Die politische Bankrotter­klärung haben lang vor Präsident Nicolas´ Maduro und Konsorten die Vorbilder des Chavismo´ ausgeferti­gt. Es hätte dabei nur eines Blicks nach Kuba bedurft, wo das Castro-Regime ganz und gar abgewirtsc­haftet hat. In den vergangene­n Jahren vegetierte es vor allem dank der Ölexporte aus Venezuela vor sich hin. Als sie ausblieben, orientiert­e sich Kuba um und entschloss sich zu einer zaghaften wirtschaft­lichen Öffnung.

Eine Neuorienti­erung wäre auch in Venezuela hoch an der Zeit. In Caracas dreht sich indessen eine fatale Abwärtsspi­rale, die alles, was noch in Spurenelem­enten an eine Demokratie erinnert, mitzurei- ßen droht. Seit dem Tod von Hugo Cha-´ vez vor vier Jahren befindet sich das Land im freien Fall. Dem Ex-Chavez-´ Stellvertr­eter Maduro fehlen das Geschick und das Charisma seines Vorgängers, der Ölpreissch­ock brach Venezuela ökonomisch vollends das Genick.

Als der von Maduro und seinen Hintermänn­ern in der Armee kontrollie­rte Oberste Gerichtsho­f kurzerhand die Entmachtun­g des Parlaments besiegelt hat, in dem die Opposition über eine Zweidritte­lmehrheit verfügt, ist ein Proteststu­rm losgebroch­en. Das Parlament ist pro forma mittlerwei­le zwar wieder eingesetzt, seine Macht ist aber beschränkt. Die zersplitte­rte Opposition, zum Teil im Gefängnis, zum Teil politisch ausgeschal­tet, hat sich zu einem Zweckbündn­is zusammenge­schlossen, um die Regierung durch eine Revolte zu stürzen. Auf legalem Weg ist sie gescheiter­t: Maduro hat ein chancenrei­ches Referendum zur Amtsentheb­ung mit plumpen Tricks gestoppt. Also bleibt seinen Gegnern nur der Druck der Straße – mit dem Risiko einer völligen Eskalation. Nicolas Maduro schreckt davor nicht zurück. Wie

schart ein Diktator a` la Maduro seine Anhänger um sich? Er schwadroni­ert von einem Staatsstre­ich von innen und einem Putsch von außen, orchestrie­rt von den USA. Das Militär hält ihm einstweile­n noch die Treue. Sollte sich der Konflikt weiter zuspitzen, könnte es jedoch versucht sein, den Präsidente­n durch einen General abzulösen. Den mahnenden Stimmen aus Lateinamer­ika hat sich die Regierung in Caracas bisher verschloss­en. Daran zeigt sich die Machtlosig­keit eines Staatenbun­ds, dem es an Autorität fehlt und dessen Schlüssell­and Brasilien selbst in einer Krise steckt. Am effektivst­en wäre wohl nicht so sehr ein flammender Appell, vielmehr ein Machtwort hinter den Kulissen – eine konzertier­te Aktion zwischen dem lateinamer­ikanischen Papst und Rau´l Castro, dem Mentor Maduros, die womöglich mäßigenden Einfluss ausüben könnten. Doch eine so „unheilige Allianz“kommt ganz selten zustande.

 ??  ?? VON THOMAS VIEREGGE
VON THOMAS VIEREGGE

Newspapers in German

Newspapers from Austria