Die Presse

Brüssel kappt die Kooperatio­n mit Großbritan­nien

Brexit. Britische Unternehme­n werden ohne neuen Standort keine Verträge mit der EU mehr schließen können. Der Datenfluss soll gekappt werden, der Zugang zu Informatio­nen wird für London nach und nach eingeschrä­nkt.

-

Brüssel. Das interne Memo der EUKommissi­on, das die „Financial Times“am Donnerstag veröffentl­ichte, gibt einen Vorgeschma­ck, was der Brexit in der Praxis bedeuten wird. Alle Dienststel­len in Brüssel und in den EU-Agenturen wurden darin aufgeforde­rt, sich auf das Kappen aller bisherigen Kooperatio­nen mit Großbritan­nien vorzuberei­ten.

Britische Unternehme­n, die künftig weiterhin mit der EU zusammenar­beiten wollen, sollen darüber informiert werden, dass sie einen Standort in der Gemeinscha­ft benötigen. Wollen etwa Firmen weiterhin Aufträge für das Zehn-Milliarden-Euro-Satelliten­projekt Galileo erhalten oder dieses fortsetzen, müssen sie künftig vom Gebiet der EU aus agieren. Sonst könne die Zusammenar­beit ohne Frist nach dem Brexit beendet werden. Großbritan­nien, so heißt es im Memo, sei künftig wie ein „Drittland“zu behandeln.

Dies betrifft auch den bisherigen Datenausta­usch. Mit dem Brexit soll Großbritan­nien seinen Zugang zu allen relevanten EU-Datenbanke­n verlieren. Dies betrifft auch die Verbrechen­sdateien und die Asyldatenb­ank.

Wer nichts mehr in das Gemeinscha­ftsbudget einzahlt, bekommt auch nichts mehr heraus. Deshalb sollen nach und nach die Förderprog­ramme für das Land auslaufen. Förderpart­ner sollen rechtzeiti­g darauf hingewiese­n werden, dass es künftig keine Ko- operation mehr gibt. Das Memo geht bereits davon aus, dass es keine umfassende Kooperatio­n mit Großbritan­nien bei den wichtigste­n Programmen der EU mehr gibt. Diplomaten in Brüssel berichten zudem davon, dass britische Vertreter bei gemeinsame­n Sitzungen kaum noch einbezogen werden. Außerdem würden bereits immer mehr Treffen der verbleiben­den 27 organisier­t.

Juncker reist zu May

EU-Kommission­spräsident JeanClaude Juncker wird am nächsten Mittwoch nach London reisen. Dabei wird er Gelegenhei­t haben, über die Begleiters­cheinungen des Brexit zu informiere­n. Premiermin­isterin Theresa May hatte Juncker eingeladen, um die Details für die Artikel-50-Verhandlun­gen (den Austrittsp­rozess) zu erörtern. Mit im Gepäck hat der Kommission­spräsident Forderunge­n des EUParlamen­ts und zahlreiche­r EURegierun­gen, die möglichst rasch die Rechte der EU-Bürger in Großbritan­nien und der im Gebiet der restlichen EU lebenden Briten klären wollen. Eine Sprecherin der EU-Kommission erklärte am Donnerstag, es dürfte hier in Zukunft „keine Diskrimini­erung“geben. Noch bevor andere Verhandlun­gspunkte besprochen werden, soll die rechtliche Situation der Bürger geklärt werden. Sie dürfen nach der Kommission nicht zum Faustpfand für andere strittige Punkte werden. (ag./red.)

Newspapers in German

Newspapers from Austria