Die Presse

Endrunde gegen „Kapitän Feigling“

Costa-Concordia-Unglück. Vor Italiens Höchstgeri­cht startete die Verhandlun­g gegen den Crash-Kapitän Francesco Schettino. Die Vorinstanz­en hatten ihn zu 16 Jahren Haft verurteilt.

- Von unserer Mitarbeite­rin CONSTANZE REUSCHER (ROM)

Francesco Schettino war nicht im Saal, als am Donnerstag die Verlesung der Protokolle der bisherigen Prozesse in zwei Instanzen durch einen Richter des Kassations­kollegiums begann. Schettino (56), der ehemalige Kapitän, war, so berichtete­n italienisc­he Medien, zu Hause in seinem Heimatort, Meta am Golf von Neapel, geblieben.

Auch dort ließ er sich nicht blicken. Nicht überall ist er beliebt, wie er es etwa als Gastdozent in einer römischen Universitä­t oder als VIP bei weiblichen Gästen der Sommerpart­ys auf der Insel Capri war – Auftritte, mit denen er in den fünf Jahren seit dem Schiffsung­lück vor der Toskana von 2012, das er verursacht haben soll, für Schlagzeil­en und Empörung in aller Welt gesorgt hat. Auch die Medien haben sich zuletzt von ihm abgewendet. Im März hat er in einem YouTube-Video ein ungewöhnli­ches Plädoyer für sich selbst gehalten. Wird es ihn vor der von den Unterinsta­nzen verhängten 16-jährigen Haftstrafe retten können?

Die folgenschw­ere „Verbeugung“

In einer leichtsinn­igen Aktion hatte Schettino den mit 4229 Passagiere­n und Besatzungs­mitglieder­n (darunter 77 Österreich­ern inklusive des Salzburger Bürgermeis­ters Heinz Schaden) besetzten Ozeanriese­n Costa Concordia der Genueser Reederei Costa Crociere am Abend des 13. Februar 2012 waghalsig nah an die Mittelmeer­insel Giglio vor der toskanisch­en Küste gesteuert.

Das Schiff rammte einen Felsen und kenterte. 32 Menschen starben, darunter zwölf deutsche Passagiere. Der Kapitän hatte, lang vor den Passagiere­n, das Schiff verlassen und sich mit einem Rettungsbo­ot an Land bringen lassen. Die Anklage lautete später auf fahrlässig­e Tötung, fahrlässig­e Havarie und vielfache Körperverl­etzung sowie Verlassen des Kommandos. 2015 war er zu 16 Jahren Haft verurteilt worden, was die Berufungsi­nstanz später bestätigte.

„Kapitän Feigling“schimpften ihn die Italiener, waren geschockt, als bei den Ermittlung­en und im Lauf der Prozesse Einzelheit­en an den Tag kamen. Schettino hatte am Unglücksab­end in der Kapitänska­jüte mit mehreren Gästen, darunter einer angebliche­n Geliebten, diniert. Gut gelaunt nahm er Kurs auf die Insel Giglio, ordnete, noch bevor er selbst auf die Brücke kam, einen verhängnis­vollen Kurswechse­l an. Dabei gab es Kommunikat­ionsfehler und Schlampere­i.

Auch am Donnerstag war es wieder sehr still in der Aula Magna, als ein Richter den Unglücksve­rlauf verlas: Wie Schettino in einer chaotische­n Aktion das Schiff nah an die Insel steuerte, um vor den Gästen mit einem „Inchino“, einem Manöver, das eine Verbeugung vor dem Hafenort und den Menschen an Land darstellen soll, zu prahlen und zugleich einen alten Freund auf der Insel zu grüßen. Wie er es versäumte, gleich nach dem Crash gegen die Felsen das Schiff zu evakuieren – es war ja an sich leicht, die Menschen zu retten, denn die Insel war zum Greifen nahe. Dass er von Opfern wusste, die von Bord gestürzt und im Sog des Schif- fes ertranken. Dass er die Gefahr kannte und trotzdem das Schiff als einer der Ersten verlassen hatte, was man als Führungsof­fizier eines Schiffes gemeinhin nicht tut.

Für Italien ein Schnellver­fahren

Bisher war Schettino, der sagte, er sei damals nur in das Rettungsbo­ot gestürzt, auf freiem Fuß. Seine Anwälte hatten Revision beim Höchstgeri­cht eingelegt, wegen angebliche­r Verfahrens­fehler. Auch die Staatsanwa­ltschaft Florenz hat Rechtsmitt­el eingelegt: Sie fordert eine höhere Strafe, denn Schettino verdiene nicht, dass die Vorgericht­e mildernde Umstände berücksich­tigt haben. Sollten die Kassations­richter seiner Revision stattgeben, muss der Prozess neu aufgerollt werden. Das kann Jahre dauern, aber im Juli 2019 wäre der Fall bereits verjährt.

Es wäre ein „Skandal, wenn die Verurteilu­ng vom Kassations­hof nicht bestätigt wird“, sagte ein Anwalt der Zivilkläge­r am Donnerstag. Für italienisc­he Verhältnis­se habe man den Prozess in Rekordzeit erledigt, ja sogar „teilweise bis in die tiefe Nacht verhandelt, um Tempo zu machen“. Die Verhandlun­g wurde dann doch wieder vertagt, auf 12. Mai. Nicht ausgeschlo­ssen, dass dann das Erkenntnis gefällt wird. Sollte die Strafe bestätigt werden, würde Schettino umgehend ins Gefängnis wandern.

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[ Reuters ] Giglio, Sommer 2012, im Hintergrun­d das seitlich liegende Schiff. Es wurde 2014 abgeschlep­pt.
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[ Reuters ] Unglückska­pitän Francesco Schettino (56).

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