Wien öffnet Freuds Privaträume
Sanierung. Das Sigmund-Freud-Museum in der Berggasse wird umgebaut und erweitert. Damit soll es Standards eines zeitgenössischen Museums erfüllen. Abgewiesene Gäste soll es nicht mehr geben.
Wien. Sigmund Freud und Wien, das war nie eine reine Liebesgeschichte. „Es ist ein Elend, hier zu leben“, schrieb er einst über den Wiener Missmut. Und dennoch war die Trennung von seiner Stadt am Ende schmerzhaft – auf der Flucht vor den Nationalsozialisten. „Die Stadt Wien ist ihm viel schuldig“, wie es Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny beschreibt. Gerade weil hier der von Freud geprägte Begriff der Verdrängung zum Umgang mit dem Begründer der Psychoanalyse passt.
Einen Teil der Schuldigkeit, die man nun abarbeiten will, sieht Wien in der Erweiterung und Neuaufstellung des Sigmund-FreudMuseums. An der berühmten Adresse Berggasse 19 hatte Freud von 1891 bis 1938 seine Praxis und gemeinsam mit seiner Familie auch seine Wohnung. Und all die Räume, in denen er damals unterwegs war, sollen in den kommenden Jahren so umgestaltet werden, dass sie die Standards eines zeitgenössischen Museums erfüllen. Was derzeit nicht der Fall ist – jedes Jahr müssen einige Tausend Besucher abgewiesen werden oder ziehen von selbst wieder ab, wenn ihnen die Menschenschlange im Stiegenhaus zu lang wird. Das soll mit dem Umbau ein Ende haben.
400 statt 280 Quadratmeter
So soll die Ausstellungsfläche von derzeit 280 auf 400 Quadratmeter erweitert werden, soll es einen barrierefreien Zugang und eine Garderobe geben. Auch ein Museumscafe´ ist geplant. Statt derzeit 100.000 Besuchern pro Jahr sollen es künftig deutlich mehr werden. 2020 soll es so weit sein, bis dahin werden knapp vier Millionen Euro in den Umbau geflossen sein, der komplette Rückbau der gründerzeitlichen Fassade in ihren originalen Zustand inklusive. 1,69 Mio. Euro steckt die Stadt Wien in das Projekt, 844.000 Euro steuert der Bund – konkret das Ressort von Kulturminister Thomas Drozda – bei, den Rest will die SigmundFreud-Privatstiftung unter anderem mit Crowdfunding holen, aber auch mit einem Freiwilligenaufschlag auf den derzeitigen Preis für ein Besucherticket.
Was die Gäste nach dem Umbau erwartet, sind unter anderem die privaten Räume der Familie Freud, die bisher nicht für die Öffentlichkeit zugänglich waren – konkret das Schlafzimmer und das private Wohnzimmer, wo jetzt noch die Bibliothek untergebracht ist. Die frühere Ordination im Hochparterre, die bisher nicht zugänglich war, wird zum Präsentationsraum der Kunstsammlung der Stiftung. Freuds Praxis mit den im Original erhaltenen Möbeln ist der psychoanalytischen Theoriebildung gewidmet, und Freuds Behandlungsraum schließlich dient als Ort, an dem die Kernthemen der psychoanalytischen Praxis erarbeitet werden.
Hier stand auch die berühmte Couch, auf der Freud seine Patienten behandelte. Stand, denn das Möbelstück nahm er 1938 mit ins Londoner Exil. Sie ist im Londoner Freud-Museum zu sehen. Das Wiener Museum nutzt die so entstandene Leerstelle als eine Art „Kulturmahnmal“, wie es Direktorin Monika Pessler ausdrückt. Als eine Erinnerung daran, wie Freud selbst, aber auch die Psychoanalyse aus Wien vertrieben wurden. Dem Thema Vertreibung und Ver- lust wird dann aber auch ein eigener Raum gewidmet.
Wenig überraschend wird das Museum für den Umbau zeitweise geschlossen sein. Der Plan ist, dass die Sperre Mitte 2019 für maximal zwölf Monate beginnt. In dieser Zeit soll es einen Ersatzbetrieb in räumlicher Nähe geben. Einzelne Teile der Sammlung sollen aber auch an anderen Orten in der Stadt temporär gezeigt werden.
Bibliothek als nächster Schritt
Im nächsten Schritt sollen in das Stockwerk über der Wohnung das Archiv und die Bibliothek wandern – mit Veranstaltungs- und Lesesaal. Und in den im Hof gelegenen Anlagen könnte es bald Wohnraum für Stipendiaten geben. Möglicherweise ist darunter ja auch jemand, der Freuds Hassliebe zu Wien aus psychoanalytischer Sicht vertiefend untersucht.