Die Presse

Häupl sucht neue Parteimitg­lieder

Parteirefo­rm. Die Wiener SPÖ soll größer, schlanker und offener werden. Um Mitglieder zu gewinnen, werden drei wienweite Sektionen eingeführt – andere werden dafür geschlosse­n.

- VON ANNA THALHAMMER

Wien. Die Struktur der Wiener SPÖ mit ihren Hunderten Sektionslo­kalen ist derzeit auf rund 300.000 Mitglieder ausgelegt. Das ist allerdings eine Zahl, von der die Partei nur träumen kann, denn es ist der Stand aus den 50er-Jahren. Mittlerwei­le hat die Wiener SPÖ nur mehr 45.000 zahlende Mitglieder. Die Partei braucht dringend eine Reform, um zu einer groß gewachsene­n, schlanken Form zu kommen. Bürgermeis­ter und SPÖWien-Parteivors­tand Michael Häupl startete diesen Prozess vor einem Jahr, indem er Arbeitsgru­ppen einrichtet­e. Am Donnerstag wurden erste Maßnahmen präsentier­t.

Eines der primären Ziele ist, den Apparat so zu verschlank­en, dass die anderswo benötigten finanziell­en Ressourcen mobil gemacht werden können. Die vielen, teils nur sehr wenig genutzten Sektionslo­kale, sind der Partei ein Klotz am Bein: „Ich habe nichts von Hinterhofs­ektionen, die keiner kennt, keiner sieht und in die sich keiner hineintrau­t“, sagt Häupl. Eine moderne Partei müsse ein strukturel­les Angebot für den Dialog mit Interessie­rten haben. „Wir wollen sichtbar, offen und zugänglich sein – darum kann ich mir etwa Grätzelstü­tzpunkte, wo Interessie­rte sich hinwenden können, gut vorstellen.“Pläne, wie diese räumlich im Detail umgesetzt werden können, sollen bis zum Sommer erarbeitet werden.

Mehr Eintritte als Austritte

Generell will die Partei politisch Interessie­rten ein niederschw­elliges Kennenlern­en ermögliche­n, sie einbinden, um sie im Idealfall später als zahlende Mitglieder zu gewinnen. Momentan verzeichne­t die Wiener SPÖ zwar mehr Eintritte als Austritte – die Sterbefäll­e kann sie allerdings nicht kompensier­en. 2016 konnte die Partei 1126 neue Mitglieder gewinnen, verlor aber 1083 durch Austritte – und 761 Personen starben.

Einen ersten Schritt in Sachen Parteiöffn­ung hat die Bundespart­ei schon getan. Es gibt seit Kurzem „Gastmitgli­edschaften“, die etwa mit einem Probeabo vergleichb­ar sind: Man muss ein Jahr lang keine Mitgliedsb­eiträge bezahlen, darf aber an allen Aktivitäte­n teilnehmen – nur das Stimmrecht entfällt. In Wien gibt es derzeit rund 100 solcher Parteigäst­e.

Neben der Öffnung der bestehende­n Sektionen soll es künftig drei neue, wienweite Themensekt­ionen geben, wo sich jeder Interessie­rte einbringen kann. Eine davon, die Initiative Vielfalt, soll sich mit den Fragen der Integratio­n, Diversität und des Zusammenle­bens in Wien beschäftig­en, um dem Rechtsruck in Europa vorzubeuge­n. Einerseits soll sie ein Plädoyer für ein säkulares Gesellscha­ftsleben sein und junge Menschen aus unterschie­dlichen Kulturen für politische Partizipat­ion und Mitgestalt­ung begeistern. Anderersei­ts soll die Initiative aber auch Raum bieten, um Probleme und Ängste besprechen zu können. Eine Auftaktver­anstaltung unter der Schirmherr­schaft des Integratio­nsstadtrat­s, Jürgen Czernohors­zky, ist für den 11. Mai geplant.

Eine weitere Themensekt­ion beschäftig­t sich mit Europa. In Wien leben rund 200.000 EU-Bürger, die Stadt wird internatio­naler. Dennoch wird das Thema EU weniger ernst genommen, als sich die SPÖ das wünscht: Bei den jüngsten Europa-Wahlen 2014 lag die Wahlbeteil­igung in Österreich bei 45,4 Prozent. Die neue Sektion soll all jenen Raum geben, die sich mit der Rolle der EU und deren Entwicklun­g beschäftig­en wollen. Die dritte neue Sektion trägt den Namen „Welcome-Sektion“und widmet sich den neuen Parteimitg­liedern, die sich noch nicht entschloss­en haben, wo sie sich engagieren sollen. „Ein Jahr lang lernt man quasi in einem Speed-Dating alle Einrichtun­gen der SPÖ kennen, ich bin ganz sicher, dass es hier für jede Interessen­lage genau das Richtige gibt“, sagte Landespart­eisekretär­in Sibylle Straubinge­r. Dieser Sektion stehen die beiden Gemeinderä­te Nina Abrahamczi­k (Neubau) und Joe Taucher (Donaustadt) vor.

Projekte haben ein Ende

Ein konkretes Ziel, wie viele Parteimitg­lieder durch diesen Prozess gewonnen werden sollen, hat Häupl nicht – es sei auch nicht der erste verordnete Öffnungspr­ozess der Partei: „Da gab es in der Vergangenh­eit schon Dutzende Projekte. Aber Projekte müssen auch ein Ende haben, und dann kommt ein neues.“Wie lang man das aktuelle laufen lassen will, sei noch offen.

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