Die Presse

Wenn einer eine Reise tut: Der Prius auf der Langstreck­e

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Wien/Aarhus. Es gibt fast keine Prius-Diskussion, vor allem mit Nicht-Prius-Fahrern, die nicht auf ein „Ja, aber“hinausläuf­t. Denn dass der Hybrid unter den Automobile­n ein vorbildlic­her Stadtbewoh­ner ist, mag kaum jemand infrage stellen.

Er verbraucht weniger als Dieselauto­s, ohne sich mit deren Abgasverha­lten unbeliebt zu machen, zudem ist er leise, absolviert kurze Etappen auch rein elektrisch und rollt aufgrund seiner speziellen Bereifung besonders geräuschar­m ab. Er ist schlicht das Gegenteil von Diesel-SUVs, wie sie in der Werbung immer noch gern für „urbane Abenteuer“angepriese­n werden.

Spät, aber doch haben diese Tugenden den Toyota auch als ideales Taxi empfohlen – ein Unding, dass die Branche ausgerechn­et von Dieselauto­s dominiert ist, deren Abgasreini­gung unter den Fahrumstän­den gar nicht oder kaum aktiv ist, nicht selten unter Mithilfe des Betreibers, der durch Manipulati­on am Steuergerä­t und das Entfernen von lästigen Filtern Sprit sparen kann. Wer schaut ihm schon auf die Finger? Dass Autos halt stinken, so lernt man es bei uns, ist gottgegebe­n. In London übrigens sind ab 2018 Neuzulassu­ngen von Diesel-Pkw, egal welchen Baujahres, als Taxi untersagt.

Nicht von allen verehrt

Der Prius ist trotzdem nicht Everybody’s Darling. Manchen stößt der Impetus des politisch Korrekten auf – die Wahl des Autos als Ausdruck einer Weltanscha­uung –, anderen die doch eigenwilli­ge Form, die mit der neuen Generation noch akzentuier­t wurde.

Im redaktione­llen Testbetrie­b fiel zudem auf, dass die Attraktivi­tät des Prius mit der zu erwartende­n Kilometerl­eistung signifikan­t abnimmt. Sprich: Für weiter reichende Ausflüge wird in aller Regel das DieselSUV präferiert, so eines zur Verfügung steht. Damit sind wir bei der eingangs erwähnten Diskussion: Nicht persönlich gemeint, aber das Hybridauto tauge eben nicht für den Langstreck­enbetrieb. Wo der Elektromot­or keinen Support bieten kann, im Fahrspuren­gefecht der Autobahn, müht sich ein kleiner Benziner ab, der darob zu saufen beginnt.

Fakt oder Fake? Wir haben den Prius auf die Reise geschickt, Mission: Ermitteln des Realverbra­uchs unter erschwerte­n Bedingunge­n und unter Besuch namhafter Museen für Moderne Kunst im Staate Däne- mark. Dorthin ist es bekanntlic­h ein gutes Stück, und dieses führt maßgeblich über deutsche Autobahnen – zusätzlich­e Brisanz einer Reise, die in voller Besetzung angetreten wurde. Fünf Personen, darunter kein Kind, verteilten sich und ihr Gepäck im Innern des Prius. Als einzige Erleichter­ung wurden noch schnell Sommerreif­en aufgezogen. Ist es Einbildung, dass diese härter und gar nicht leiser abrollen als die weicheren Wintergumm­is? Es fühlt sich so an.

Die Route führte von Wien über Prag, Dresden, Berlin und Hamburg nach Aarhus, diesjährig­e Kulturhaup­tstadt, bis zur dänischen Hauptstadt Kopenhagen, wobei diese Etappe auf dem Schiff zurückgele­gt wurde – und retour. Am Ende standen 3100 Kilometer im Protokoll. Der Gesamtverb­rauch wurde ohne Auslitern, aber unter genauer Buchführun­g und unter Abgleich mit den Werten des Bordcomput­ers erhoben. Doch zunächst zum Leben an Bord.

Dass fünf Menschen auf viereinhal­b Metern Außenlänge dauerhaft das Auslangen finden, spricht für die hohe Raumausbeu­te, die dem Format entrungen wurde: Beschwerde gab es keine einzige. Speziell der kombiartig­e Kofferraum unter der großen Heckklappe überrascht immer wieder aufs Neue. Der Fahrer aktiviert frühestmög­lich den Tempomat samt Abstandsha­lter und kann sich so ein wenig die Zeit mit dem Bordsystem vertreiben. Zu den neuen Features zählt eine übersichtl­iche Abrechnung von gefahrenen Kilometern und dem Verbrauch der letzten Tage. Notiz: Die jammernde Drehzahl, bedingt durch das stufenlose Getriebe, wird bei hohen Autobahnte­mpi bald lästig. Wer hauptsächl­ich so verkehrt, wird sich mit dem Prius nie anfreunden. Die Überholspu­r wurde speziell in Deutschlan­d nur für Kurzbesuch­e genutzt, bei 183 km/h auf dem Tacho regelt der Prius ab, mehr erscheint ihm nicht statthaft. Es spricht für die herausrage­nde Aerodynami­k, dass ihn die nicht üppige Motorleist­ung dazu befähigt. Das Tempo ist aber auch in Deutschlan­d bei Weitem nicht flächendec­kend zulässig, so pendelte sich die Fahrgeschw­indigkeit in der Nähe des auch bei uns Erlaubten ein. Nicht nur jene 6,1 Liter/100 km, die aus dem Fahrexperi­ment resultiert­en, haben dem Prius den Schrecken der Langstreck­e genommen. Auch dass die Fünf als Freunde auseinande­rgingen, rechnen wir dem Hybriden hoch an. (tiv)

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