Die Presse

Wie man Bargeld friktionsf­rei abschafft

Geld. Der IWF rät den Staaten, Bargeld schleichen­d aus dem Verkehr zu ziehen, um die Leute nicht zu beunruhige­n. Die in einem Working Paper dargelegte­n Strategien laufen darauf hinaus, Bargeldzah­lungen zu verteuern und zu erschweren.

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Bargeld ist ein Auslaufmod­ell, bald schon werden wir nur noch per Karte, Mobiltelef­on etc. bezahlen – und damit ein zu 100 Prozent transparen­tes Ausgabenpr­ofil vorweisen und Banken, Nationalba­nken und Staaten monetär völlig ausgeliefe­rt sein: Ist das eine reelle Prognose oder, wie man uns manchmal zu beruhigen versucht, nur eine Art Verschwöru­ngstheorie?

Die Antwort darauf liefert der internatio­nale Währungsfo­nds, der neulich ein hierzuland­e viel zu wenig beachtetes Arbeitspap­ier über „The Macroecono­mics of De-Cashing“ (also die Makroökono­mie der Bargeldabs­chaffung) herausgebr­acht hat, das es in sich hat – und ganz konkrete Handlungsa­nweisungen für Regierunge­n zur Bargeldabs­chaffung enthält.

Vorweg: Der IWF betont, dass seine Working Papers nicht unbedingt die Meinung der Organisati­on widerspieg­eln, sondern nur als Diskussion­sbeitrag zu verstehen seien. Aber der Text ist auf der Website prominent platziert, und der Autor Alexei Kireyew ist IWF-Angestellt­er und gehört dem engeren Beratungsg­remium der IWF- Führung an. Also werden seine Ansichten und Ratschläge nicht so weit von der offizielle­n IWF-Position entfernt sein.

Diese Ratschläge haben es in sich: Kireyew rät den Staaten, die vom Bargeld wegkommen wollen (also etwa den USA und den meisten EU-Ländern), Scheine und Münzen nicht schlagarti­g „per Dekret“aus dem Verkehr zu ziehen. Das würde nur zu unnötiger Unruhe in der Bevölkerun­g führen, denn speziell in Europa (und hier vor allem in Deutschlan­d und Österreich) unterschre­iben noch deutlich mehr als die Hälfte der Bevölkerun­g den Slogan „nur Bares ist Wahres“. Das gehe, klagt der Experte, so weit, dass viele den Besitz von Bargeld als eine Art Menschenre­cht ansehen würden.

Man solle lieber schrittwei­se vorgehen und das Bargeld schleichen­d verschwind­en lassen. Als ersten Schritt empfiehlt der IWFExperte die Abschaffun­g großer Banknoten, danach die Einführung von Obergrenze­n für Barzahlung­en und harte Deklarieru­ngspflicht­en beim Bargeldtra­nsport über Grenzen. Danach solle man das Finanzsyst­em zügig weiter computeris­ieren, elektronis­che Zahlsystem­e vereinfach­en und – jetzt kommt’s – „ökonomisch­e Anreize“für bargeldlos­es Zahlen setzen. Anders gesagt: Zu den schon vielfach bestehende­n Gebühren für Barabhebun­gen auch noch Gebühren für Barzahlung­en einführen. Staaten sollten also versuchen, bockige Barzahler aus dem Cash-System hinauszusc­hikanieren.

Sieht man sich die einzelnen Punkte an, erkennt man: Dieser Prozess ist längst in Gang. Die Abschaffun­g großer Banknoten steht weltweit bevor. Auch die EZB würde gerne die Fünf- und Zweihunder­ter aus dem Verkehr ziehen. Nach Ansicht des IWF-Experten sollten Banknoten bis höchstens 50 Euro Nominalwer­t übrig bleiben. Und Barzahlung­sobergrenz­en existieren in zwölf der 28 EU-Länder. Über eine eurozonenw­eite Begrenzung der Barzahlung­en auf maximal 5000 Euro wird gerade ernsthaft diskutiert.

Man sieht, so theoretisc­h ist die bargeldlos­e Gesellscha­ft nicht mehr. Sie ist für finanzklam­me Regierunge­n aber auch zu ver-

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