Die Presse

Europa wird sich wieder an den Kopf greifen

Der zuvor von Rex Tillerson geleitete Ölkonzern ExxonMobil will eine Ausnahme von den Russland-Sanktionen. Schon längst argwöhnt die europäisch­e Wirtschaft, dass es sich die USA zum eigenen Vorteil richten.

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Die Wirtschaft­svertreter haben es ja immer schon gewusst. Zumindest im privaten Gespräch gaben sich europäisch­e Manager und Firmenbesi­tzer stets überzeugt davon, dass die USA die Sanktionen gegen Russland und den diesbezügl­ichen Druck auf die Europäer auch deshalb so vehement verfolgten, weil sie Letzteren im globalen Wettbewerb eines auswischen und sich selbst in eine bessere Position begeben wollen.

Dass das gutgläubig­e Europa – wohlgemerk­t unabhängig von den Sanktionen – aus dem Tiefschlaf aufwachen sollte, sagte etwa Paul Achleitner, Aufsichtsr­atschef der Deutschen Bank, kürzlich im Interview mit der „Presse am Sonntag“: „Wir befinden uns zweifellos in einer Welt, in der nationale Interessen sehr viel robuster definiert und verfolgt werden als früher. Das sollte gerade uns Europäern sehr große Sorgen machen. Denn es wird zunehmend anspruchsv­oll, sich zu wehren – gegen die USA mit ihrem Rechtssyst­em, das sie zunehmend internatio­nal durchsetze­n, gegen China mit seiner Handelspol­itik und Russland mit seiner militärisc­hen Ausrichtun­g.“So weit Achleitner.

Zurück zu den Sanktionen. Schon Mitte 2015 hatte „Der Spiegel“mit einem Bericht darüber, dass der amerikanis­ch-russische Warenausta­usch im ersten Sanktionsj­ahr 2014 um sechs Prozent zugelegt hatte, während der russische Handel mit den Staaten der EU im selben Zeitraum um fast zehn Prozent eingebroch­en war, für Aufsehen gesorgt. Von einer „bemerkensw­erten“Angelegenh­eit sprach damals Frank Schauff, Geschäftsf­ührer der Associatio­n of European Businesses in Moskau.

Schnee von gestern? Erbsenzähl­erei? Beckmesser­ei?

Nun, man fühlt sich einfach daran erinnert, wenn man jetzt im „Wall Street Journal“liest, dass der amerikanis­che Ölkonzern ExxonMobil bei der US-Regierung um eine Ausnahme von den Sanktionen gegen Russland angesucht hat. Hintergrun­d sei die Zusammenar­beit mit dem russischen Branchenpr­imus Rosneft. Das Joint Venture wurde 2012 gebildet, um Energievor­kommen in der Arktis und im Schwarzen Meer auszubeute­n.

Was die Optik zusätzlich trübt: Rex Tillerson, seit Kurzem US-Außenminis­ter, war bis zum Vorjahr Chef von ExxonMobil.

Mal sehen, wie die US-Kongressab­geordneten daher auf das Ansuchen reagieren. Immerhin habe das US-Finanzmini­sterium in der Vergangenh­eit schon erlaubt, das Joint Venture trotz Sanktionen weiterzufü­hren, so ein Exxon-Sprecher in der Zeitung.

Bei den europäisch­en Wirtschaft­streibende­n wird all das die Stimmung nicht heben. Einmal mehr werden sie sich in der Vermutung bestärkt sehen, dass Amerika mehrere Agenden gleichzeit­ig verfolgt und dahinter auch zu dealen versucht. Und sie werden sich abermals an den Kopf greifen, warum sie es selbst nicht tun.

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