Die Presse

Junges Blut macht alte Gehirne jung

Medizin. In Nabelschnu­rblut des Menschen hat sich ein Molekül gefunden, das alten Versuchsmä­usen zu neuer Erinnerung verhilft. Wie es wirkt, ist unklar. Und ob es besser wirkt als körperlich­e Aktivität, auch.

- VON JÜRGEN LANGENBACH

Dass der Saft des Lebens auch der der Jugend ist, war Vampiren so geläufig wie der ungarische­n Gräfin Bathory,´ die sich Ende des 16. Jahrhunder­ts im Blut von 650 Jungfrauen suhlte. Nun ja, das sind Schauerges­chichten. Aber etwas auch Gänsehaut Erregendes wurde 1860 in einem Labor Realität: Man vernähte zwei Mäuse so miteinande­r, dass ihre Blutgefäße verbunden waren, in diesen Kreaturen – Parabionte­n – fließt das Blut beider.

Damit erkundete man bis in die 1970erJahr­e alles Mögliche. Dann wurde den Forschern selbst unwohl dabei, und Tony WyssCoray (Stanford), der es um die Jahrtausen­dwende wieder etablierte, bekam es zu spüren: „Viele gruseln sich, sie reden auf Meetings von ,Vampiren‘“. Aber denen hörten sie doch zu: Wyss-Coray hat heterochro­ne Parabionte­n gebaut, alte und junge Mäuse mitei- nander vernäht. Das machte die Alten wieder jung, im Gehirn, und dort vor allem im Hippocampu­s, wo die Erinnerung sitzt.

„Es ist, als ob alte Gehirne von jungem Blut neu aufgeladen würden“, erklärte WyssCoray, der eine Biotechnik­firma zur Verwertung seiner Funde hat, dann eilte er wieder ins Labor. Denn die Konkurrenz schläft nicht: Amy Wagers (Harvard) hat im Blut junger Mäuse einen Kandidaten für die Verjüngung gefunden, GDF-11, ein Wachstumsf­aktor, der im Gehirn neue Zellen bringt.

Auch Wyss-Coray blieb nicht untätig: Zunächst hat er statt mit jungen Mäusen mit deren Blutplasma die gleichen Erfolge erzielt, und nun ist er an Menschenbl­ut gegangen, an das jüngstverf­ügbare, das in Nabelschnü­ren. Die wurden früher weggeworfe­n, inzwischen ist ihr Blut ein wertvoller Rohstoff. Hilft er gegen das Altern? Der Forscher hat alten Mäusen Nabelschnu­rblut von Menschen gespritzt, ihre Gehirne wurden wieder leistungsf­ähiger.

Dann hat er das wirksame Molekül identifizi­ert, es heißt TIMP2 und dient im Gehirn strukturel­len Zwecken: Wie es verjüngt, ist unklar, es lässt keine neuen Zellen wachsen wie GDF-11. Dieses ist bei Wyss-Coray nicht aufgefalle­n, er will jedoch eine Kombinatio­n beider versuchen (Nature 19. 4.).

Noch ein besonderer Saft: Rote Rüben?

Allerdings stieß sein jetziges Experiment auch auf Kritik: Irina Conboy (Berkeley) bemängelte, dass der Effekt von TIMP2 nicht mit dem von simpler körperlich­er Aktivität verglichen wurde. Auch die hat sich zum Verjüngen schon bewährt, an Menschen. Und nun hat Jack Rejetski (Wake Forest) einen blutroten Saft identifizi­ert, der, vorher getrunken, die Wirkung verstärkt, den von Roten Rüben (Journal of Gerontolog­y 19. 4.).

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