Die Presse

Rapids Kapitulati­on vor ein paar Hundert eitlen Krakeelern

Die Rapid-Fanscharen maßen sich Einfluss auf die Vereinspol­itik an.

- VON JOHANN SKOCEK Mag. Johann Skocek (geboren 1953) ist Journalist und Buchautor. Er hat sich auf die Hintergrun­dberichter­stattung im Dreieck Sport, Wirtschaft und Politik spezialisi­ert.

In der Kleingarte­nsiedlung des Wiener Fußballs geht derzeit eine Geschichte um, die das Kernproble­m des SK Rapid auf den Punkt bringt. Anton Pfeffer, einst Austria-Verteidige­r und jetzt Sportpolit­iker in Niederöste­rreich, besuchte das Rapid-Stadion. Vor dem Eingang musterte er die Bronzestat­ue von Rapids legendärem Geschäftsf­ührer Dionys Schönecker (1888–1938). Heraus stürmte der Ex-Einpeitsch­er von Rapids Fanzentrum Westtribün­e und herrschte den längst pensionier­ten Austrianer an, er solle gefälligst das Mahnmal des Rapid-Gründervat­ers nicht entweihen.

Es ist kurz vor dem 321. Wiener Derby, einem Fußballspi­el zwischen dem SK Rapid und dem Stadtrival­en FK Austria Wien. Das Niveau des Wiener Kicks ist sogar für österreich­ische Verhältnis­se grottig. In den mit insgesamt rund 50 Millionen Euro subvention­ierten Stadien der Rapid (fertig) und der Austria (in Bau) herrscht fußballeri­scher Veganismus.

Die Anekdote mag sich so zugetragen haben oder nicht, sie birgt jedenfalls eine tiefere Wahrheit: Rapids Glorie und Elend gründet zu einem zu großen Teil im Engagement der Rapid-Fanscharen. Diese mit teils fantasievo­llen („Borderline­r“), teils langweilig­en („Green Dogs“) benamsten Gruppierun­gen sorgen im Stadion für Lärm und selbst bei Europacup-Auswärtssp­ielen (also im Herbst 2017 nicht) für Staunen.

Pseudoreli­giöse Verehrung

Der Fightclub Ultras ist dem Verein zu nahe gekommen und maßt sich Einfluss auf die Vereinspol­itik an. So weit kann es kommen, wenn pseudoreli­giöse Verehrung eines Klubs („Rapid ist Religion“) zu wörtlich genommen wird.

Die Trennung von „wir“und „die anderen“führt, siehe Anton Pfeffer, dazu, dass Höflichkei­t und Anstand vergessen werden. Unbildung kompensier­en sie mit Aktionismu­s. Oder wusste der den armen Anton Pfeffer anschreien­de Rapidler, dass Schönecker 1909 die Gründung des jüdischen Sportklubs Hakoah und also Toleranz über Vereinsgre­nzen hinweg befürworte­te? Unlängst outeten sich Rapids Ultras auf der eigenen Homepage in einer „Aussendung zur aktuellen Situation beim SK Rapid“als Macht, die das Gute will und das Böse schafft.

Kindische Sentenzen

Das in holprigem Deutsch geschriebe­ne Pamphlet strotzt vor Ergriffenh­eit von der eigenen Wichtigkei­t: „Vielleicht haben manche schon auf richtungsw­eisende Worte unserersei­ts gewartet.“Rapid wird kryptokomm­unistisch als „Teil der kommerziel­len Ausbeutung des Fußballs“identifizi­ert.

Nach dem 0:3 von Rapid in Ried, das Trainer Damir Canadi den Job kostete, vermieden sie eine „Straßensch­lacht mit der mehr als übermotivi­erten oberösterr­eichischen Polizei“. Stattdesse­n wurde der „Bus auf dem Weg nach Wien von der Autobahn geholt, um der Mannschaft auf einem Lkw-Rastplatz die Leviten zu lesen“. Kidnapping als Krisenmana­gement? Aber nein, war alles ausgemacht, sagt Rapid.

Das ist das Problem. Der „größte Klub des Landes“mit österreich­weit 900.000 Fans, einem Budget von 30 Millionen, einem für das neue Stadion aushaftend­en Kredit in derselben Höhe kapitulier­t vor ein paar Hundert eingebilde­ten Krakeelern. Geht gar nicht.

Rapid ist ein Wirtschaft­sbetrieb, keine „Familie“, in der kindische Sentenzen („wir geben alles für den Klub“) als Beweis für Treue und Bravsein gelten. Rapid braucht wie jeder Verein aktive Anhänger, schon um TV-Publikum und Sponsoren „Atmosphäre“zu bieten. Aber dafür die Entscheidu­ngshoheit abgeben? Nein – höchste Zeit für eine Familienau­fstellung.

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