Vassilakou durch Grüne in Bedrängnis
Konflikt. Während die Bundes-Grünen den Weg aus der Krise suchten, brach in Wien ein neuer schwerer Streit aus: Die Basis lehnt das Heumarkt-Projekt ihrer Chefin Maria Vassilakou ab.
Die Wiener Grünen haben das Hochhausprojekt am Heumarkt mit knapper Mehrheit abgelehnt.
Wien. Die Zukunft der Wiener Grünen wurde am Freitag, gegen neun Uhr, aus einem Postfach geholt: Von 1400 stimmberechtigten Parteimitgliedern hatten 685 an der Urabstimmung über das Heumarkt-Hochhausprojekt teilgenommen – und mit 51,33 Prozent dagegen gestimmt.
348 Personen stimmten mit Nein, 330 mit Ja. Somit haben nur 18 grüne Parteimitglieder über ein Projekt entschieden, dem bereits jahrelange Millionen-teure Planungen vorangegangen waren – und zu dem es auch befürwortende Parteibeschlüsse der Grünen gab. Die am Freitag fertiggestellten städtebaulichen Verträge, die Verpflichtungen des Investors geregelt hätten, sind somit hinfällig. Noch vor dem Sommer hätte die Flächenwidmung in den Gemeinderat kommen sollen. Das wird nun nichts.
Wackelt Rot-Grün?
Die Abstimmung war mehr als eine parteiinterne Entscheidung über ein Bauprojekt. Es war auch eine Abstimmung über die grüne Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou und ihre Politik. Als Planungsstadträtin hatte sie sich für das Projekt eingesetzt. Dass sie nun keinen Rückhalt dafür hat, schwächt ihre Position in der Partei. Auch für die rot-grüne Regierung könnte das Abstimmungsergebnis zur Zerreißprobe werden. Bürgermeister Michael Häupl hatte sich persönlich für die Neugestaltung des Areals eingesetzt. Er wird jetzt neu verhandeln müssen.
Vassilakou wollte sich am Freitag nicht äußern. Aus ihrem Büro hieß es nur: „Es gilt, was vor der Abstimmung gesagt wurde: Egal, wie das Ergebnis ausfällt, wir werden es zusammen diskutieren.“
Deutlich redefreudiger war der grüne Nationalratsabgeordnete Wolfgang Zinggl, der die Urabstim- mung gemeinsam mit den Grünen Innere Stadt initiiert hatte. Sie sprachen sich gegen das Projekt aus, weil Wien wohl wegen des hohen Turms den Status des UnescoWelterbes verloren hätte. „Ich bin sehr froh, dass ich in einer Partei bin, wo Entscheidungen von unten getroffen werden“, sagte er zur „Presse“. Man solle darüber nachdenken, ob diese Stichprobe nicht vielleicht auch die Bevölkerung repräsentiere – und eben viele nicht einverstanden seien. Dem widerspricht eine aktuelle Studie: Unter 1000 Befragten sprachen sich rund drei Viertel für eine Neugestaltung des Areals aus.
Für Zinggl sei die Abstimmung keine über Vassilakou oder die Koalition, ja nicht einmal über das Hochhaus selbst. „Es geht darum, wie wir Grüne uns in der Sache verhalten sollen.“Das wird ab Montag in den Gremien diskutiert.
Glawischnig umwirbt Partei
Nicht nur das Heumarkt-Projekt verlangt Krisensitzungen. Am Freitag traf sich der Erweiterte Bundesvorstand der Grünen in der Urania, um sich nach dem Konflikt mit der eigenen, mittlerweile ausgeschlos- senen Jugendorganisation (Junge Grüne) wieder zu sammeln. Oder es zumindest zu versuchen.
Bundessprecherin Eva Glawischnig war bemüht, die Partei wieder hinter sich zu vereinen, nachdem sie zuerst nur von den Jungen Grünen und später auch von anderen Teilen der Partei angezweifelt worden war. Zu abgehoben, zu undemokratisch, zu wenig progressiv seien Glawischnig und ihr Führungsteam, tönte es in den vergangenen Wochen aus der Partei. Da und dort wurde bereits über die Ablöse der Parteichefin spekuliert, was Glawischnig später als mediale Überspitzung abtat.
Am Freitag klang das dann von ihr ein wenig anders: „Zugegeben, wir schießen uns hin und wieder ein Eigentor.“Aber plötzlich mit Absicht auf das eigene Tor zu schießen, das gehe nicht. „Wir treten nicht gegeneinander an.“
Neben Glawischnig stand zuletzt auch Bundesgeschäftsführer Robert Luschnik in der Kritik. Unter seinem Vorgänger, Stefan Wallner, dem man – vorsichtig formuliert – eine gewisse Durchsetzungskraft nachgesagt hat, wäre der Streit mit den Jungen Grünen nicht dermaßen eskaliert, glauben manche in der Partei. Andere wiederum meinen, dass Wallner das Problem schon im Herbst hätte lösen können. Allerdings habe er die Jungen Grünen nicht vergrämen wollen, weil er sie für die Van-der-BellenKampagne brauchte.
Glawischnig bat die Partei, wieder in den Inhalts- und Arbeitsmodus zu schalten. Mit Blickrichtung Nationalratswahl, die spätestens im Herbst 2018 stattfinden wird. Thematisch wollen die Grünen in den nächsten Wochen die Marktnische „Wohnen und Mieten“besetzen. Ob die Führungsdebatte damit beendet oder nur aufgeschoben ist, konnte am Freitag nicht hinlänglich geklärt werden.
Innerparteiliche Demokratie ist bei den Grünen nicht nur statutarisch verankert, sondern wird auch gelebt.“ Joachim Kovacs Landessprecher von Wiens Grünen