Was Frauen erhoffen
Dienstreisen erschweren es vor allem Frauen, die Karriere mit der Familie zu vereinbaren. Welche Unterstützung sie sich erhoffen, haben Forscherinnen der Uni Linz in sieben Ländern verglichen. Die Realität sieht oft anders aus.
Forscher untersuchen Karriere und Familie in diversen Kulturen.
Die österreichischen und deutschen Frauen fühlen sich total gestresst und überfordert“, stellt Iris Fischlmayr fest. Die Leiterin des Instituts für Internationales Management an der Uni Linz hat gemeinsam mit ihrer Assistentin Katharina Puchmüller in sieben Ländern untersucht, welche Formen der Unterstützung Familien bei der Kinderbetreuung erhalten und welche Frauen als besonders wichtig erachten. Dazu organisierten die Forscherinnen 51 persönliche, qualitative Interviews (siehe Lexikon) mit Frauen etwa aus Taiwan, Kroatien, Mexiko oder Deutschland und Österreich.
Was allen Interviewpartnerinnen gemeinsam war: Sie sind internationale Geschäftsreisende, müssen also mindestens alle drei Monate berufsbedingt das Land verlassen; sie haben mindestens ein Kind im Alter unter 17 Jahren und leben in einem Haushalt mit einem weiteren Berufstätigen. Ein Lebensmodel, das laut Forschung zunehmend zum Merkmal moderner Gesellschaften wird.
Was, wenn die Frau fehlt?
Doch wer kümmert sich in den verschiedenen Kulturen um Kinder und Haushalt, wenn einer der Partner, im untersuchten Fall die Frau, regelmäßig weg ist? Wie schaut eine typische Arbeitswoche der Vielfliegerinnen aus? Welche Betreuungsangebote kommen von den Staaten oder Unternehmen und wie ist deren gesellschaftliche Akzeptanz? „Wir haben anhand 15 bis 20 solcher Leitfragen die wichtigen Themen abgearbeitet und reichhaltige Erzählungen bekommen“, erklärt Fischlmayr.
Herausgekommen ist dabei manches, das die Wissenschaftlerinnen überrascht hat. In Mexiko und Kolumbien herrsche etwa noch stark das Konzept der Großfamilie vor, Großeltern oder Tan- ten mit eigenem Nachwuchs teilen die Kinderbetreuung untereinander auf. Dass beide Partner arbeiten müssen, werde als wirtschaftliche Notwendigkeit gesehen. Mit entsprechendem Einkommen sind dann auch – ohnehin recht günstige und gut verfügbare – Haushaltshilfen oder Kindermädchen kein Problem. „Wir hätten uns erwartet, dass in diesen , Macho-Kulturen‘ von Frauen eher verlangt wird, zu Hause zu bleiben“, sagt Wirtschafts- und Sozialforscherin Fischlmayr. „Das ist überhaupt nicht der Fall.“Bedingungen, unter denen die Forderung nach mehr staatlicher oder betrieblicher Unterstützung kaum präsent ist.
Geringere Erwartung an Staat
Auch in Taiwan erwarten Frauen mit erfolgreichen Karrieren und trotz regelmäßiger Geschäftsreisen wenig vom Staat. „Die Großfamilie wird in den Städten, wo die guten Jobs zu finden sind, rarer. Wir beobachten ganz oft, dass die Kinder von Sonntagabend bis Freitag bei den Großeltern am Land sind“, so Fischlmayr. Auch hier seien Kindermädchen verbreitet.
Ganz anders ist die Situation allerdings in Österreich und Deutschland. Hier stellten die Forscherinnen starke Forderungen an den Staat fest, die ungenügend er- füllt werden. „Die Frauen erwarten, dass der Staat Kinderbetreuung zur Verfügung stellt und finanziell unterstützt.“Das sei in keinem der anderen Länder aufgefallen.
Außerdem kann familienintern Stress aufkommen. „Zum Beispiel von Großeltern, die sagen ,Ihr werdet euer Kind doch nicht in Fremdbetreuung geben‘ oder ,Meine Tochter arbeitet zu viel, sie sollte weniger Karriere machen und sich mehr ums Kind kümmern‘“, so Fischlmayr. Noch größer sei der Druck von außerhalb. „Für den Begriff der Rabenmutter gibt es in keiner anderen Sprache ein Äquivalent.“Allerdings seien Familien auch lernfähig und großelterliche Skepsis nicht immer von Dauer.
Wobei es in Deutschland noch immer ein starkes Ost-West-Gefälle gebe. „Auf dem Gebiet der ehemaligen DDR ist das Angebot an Kindertagesstätten unheimlich gut ausgebaut und gesellschaftlich akzeptiert, weil es früher schon gang und gäbe war“, erklärt Fischlmayr.
Entspannter in der Großfamilie
Die beiden Wissenschaftlerinnen untersuchten auch die jeweilige Rolle der Wirtschaft und halten fest: „Die Forderung an Unternehmen und Organisationen, sich an der Kinderbetreuung zu beteiligen, ist ein sehr westliches Konzept.“
Lassen die Interviews Zusammenhänge zwischen der Art der Familienorganisation und der individuellen Zufriedenheit erkennen? „Von dem, was in den Interviews mitschwingt, sind jene mit Großfamilie oder einem Kindermädchen eigentlich relaxter“, antwortet Fischlmayr. Familie und Freunde werden nach Möglichkeit über alle Kulturen hinweg bei der Kinderbetreuung bevorzugt.
Mit ihrer Arbeit sind die Forscherinnen noch nicht am Ende. Derzeit weiten sie die Interviews im Rahmen eines Folgeprojekts auf weitere Länder und Kulturen aus.