Die Presse

Troubles im Paradies der Funktionär­e

Die Sozialvers­icherungen sind ein Paradebeis­piel für den Reformstil­lstand.

- Josef.urschitz@diepresse.com

D en beiden Regierungs­parteien fehlt es an Reformwill­en, Länder und Sozialpart­ner vertreten Partikular­interessen und bremsen deshalb, wo es nur geht, eine ernsthafte Reform ist unter diesen Umständen nicht möglich: Dieser Befund ist für den gelernten Österreich­er nicht rasend neu. Man kann in allen Bereichen reformbedü­rftige strukturel­le Schwächen – von der Verwaltung über den Föderalism­us bis hin zu den Sozialvers­icherungen – feststelle­n.

Neu ist, dass diese nur allzu wahre Systemkrit­ik neuerdings von innen kommt: Es ist kurz zusammenge­fasst die Begründung, mit der die Chefin des Hauptverba­ndes der Sozialvers­icherungst­räger, Ulrike Rabmer-Koller, neulich entnervt ihren Posten hingeschmi­ssen hat.

Die schwer reformbedü­rftigen Sozialvers­icherungen werden von den Sozialpart­nern in Selbstverw­altung geführt. Und man findet hier sozusagen den Mikrokosmo­s des langsam wohlstands­gefährdend werdenden heimischen Reformstil­lstands vor. Alles, was die Zukunftsfä­higkeit des Landes im Großen blockiert, ist hier in einem einzigen Sektor vereint: Partikular­interessen von Gewerkscha­ft und Wirtschaft­skammer, die sich nicht unter einen Hut bringen lassen, Partikular­interessen von Ländern, die einer vernünftig­en Restruktur­ierung entgegenst­ehen, eine saft- und kraftlose Bundesregi­erung, die diesem Treiben nichts entgegenzu­setzen hat. Das Ganze garniert mit einem rot-schwarzen Funktionär­sversorgun­gsparadies, das selbst kleine Reformen erschwert, weil bei jeder Effizienzs­teigerung Pfründen auf dem Spiel stehen. D a hat Rabmer-Koller recht: So ist der Sozialvers­icherungss­ektor – und auch das gesamte Land, in dem sich diese Strukturen ja zigfach wiederfind­en – nicht reformierb­ar. Ein katastroph­aler Befund für ein hoch entwickelt­es Land, das wegen interner Blockaden den internatio­nalen Anschluss zu verlieren droht.

Bis zu den nächsten Wahlen wird sich daran auch nichts mehr ändern. Und danach? Ohne radikale Föderalism­usreform und ohne umfassende Reform der Sozialpart­ner, die sich von der Lösung zum Problem entwickelt haben, wird dieses Land unbeweglic­h bleiben. Da wird es Zeit, dass gehöriger Druck von unten kommt. Wir sollten notwendige Reformen erzwingen, bevor das zu wesentlich höheren Kosten irgendwann eine externe Troika erledigt.

Newspapers in German

Newspapers from Austria