„Was kümmern mich die Opfer, es wird solche immer geben“
Soll ich im Sommer nach Paris fahren? Wer wird dort regieren?
Selten waren die Urlaubspläne der Freizeitgesellschaft des Gegengifts so unkonkret wie im ungeraden Jahr 2017 – einer bösartigen Primzahl. Sprachen wir im Vorjahr erst voreilig davon, diesen Sommer in die USA zu fahren, in die Prärie, wurde der Plan schließlich im November fallen gelassen. Die Türkei als Ersatzziel ist inzwischen auch ausgeschieden. So wie Großbritannien. Es gab zuletzt leichte Präferenzen für Frankreich, nun aber deuten selbst feinste politische Magazine an, dass in Paris demnächst eventuell Marine Le Pen mit ihrem bis in die Knochen bösartig-reaktionären Front National herrschen könnte. Wo bleibt da die Ferienstimmung?
Ganz gebe ich die Hoffnung jedoch noch nicht auf, blättere wahllos in Büchern, die mir die Entscheidung abnehmen könnten. Was hat denn Michel Houellebecq 2015 in dem utopischen Roman „Unterwerfung“über die Zukunft seines Landes gesagt? Ha! Es besteht noch Hoffnung! Nicht alle Prognosen stimmen. Bei ihm erhält 2017 Präsident Hollande eine zweite Amtszeit. Und 2022 hat Marine Le Pen zwar im ersten Wahlgang die relative Mehrheit, aber ein Bündnis der zweitstärksten Kraft (der Muslimbrüder) mit Sozialdemokraten und Konservativen sollte doch eigentlich ausreichen, um die radikale Rechte zu verhindern. Oder? Wir wollen nicht verraten, wer hier wen unterwirft. S o viel nur: Houellebecqs perverser Optimismus überzeugt mich nicht ganz. Ich suche weiter. An wen erinnert mich Madame Le Pen? Da fällt mein Blick auf ein zerlesenes Buch, das rosa, versteckt und anonym hinter „Ausweitung der Kampfzone“und „Elementarteilchen“auf seine Entdeckung gelauert hat: „Juliette“wurde ebenfalls in einer Zeit des Umbruchs geschrieben, ihre Titelheldin zeichnet sich durch Radikalität und Härte aus. Die Lebensphilosophie dieser kompromisslosen Frau lässt sich in zwei Sätzen zusammenfassen: „Was kümmern mich die Opfer, es wird solche immer geben.“Armes Frankreich! Wahrscheinlich wird es nichts mit unserer Begegnung zu den Iden des Juli.