Warum können Vögel auf Stromleitungen sitzen?
Berühren die Tiere eine zweite Leitung oder den Mast, wird es für sie gefährlich. Strom fließt erst, wenn es einen Spannungsunterschied gibt.
Jedes Kind lernt, dass Stromleitungen gefährlich sind. Hinweistafeln an den Masten warnen davor, zu nahe zu kommen. Davon unbehelligt sitzen Vögel – allein oder in Gruppen wie aufgefädelt – auf den Leitungen. „Das geht, weil Spannung allein nicht gefährlich ist“, erklärt Elektrotechniker Markus Kampl von der TU Wien. Das wird sie erst durch eine sogenannte Potenzial- oder Spannungsdifferenz, also wenn der Strom fließt.
Der Forscher vergleicht das mit zwei nicht miteinander verbundenen Seen, einer auf dem Berg und einer im Tal: „Sie bleiben ruhig, bis man sie verbindet. Erst dann kommt es zu einem Austausch. Das Wasser fließt.“Genau so sei es auch mit dem Strom, wenn man zwei elektrische Potenziale verbindet, so Kampl. Für einen Vogel bedeutet das: Solange er nur auf einer Leitung sitzt, ist diese für ihn ungefährlich. Berührt er aber zugleich eine zweite oder den mit der Erde verbundenen Strommast, schießt der Strom durch seinen Körper – je nach Leitung mit 20.000 Volt oder, bei Hochspannungsleitungen, noch weit mehr.
Da ein Vogel – wie auch der Mensch – großteils aus Wasser besteht, erhitzt dieses blitzschnell und verdampft. Bei hoher Spannung könne es auch zu explosionsartigen Reaktionen kommen, so Kampl. Daher sei auch von Experimenten dringend abgeraten, etwa, von einem Mast zur Leitung zu springen. Denn was in der Theorie durchaus klappen könnte, ist freilich in der Praxis viel zu gefährlich: auch, weil der Mensch zu groß ist und mit hoher Wahrscheinlichkeit eine zweite Leitung tangieren würde.
Das Risiko teilt er mit größeren Vogelarten: Während etwa Schwalben und kleinere Tiere relativ gefahrlos Leitungen als Landeplatz nutzen, können größere Krähen, Greifvögel oder Störche durchaus Opfer eines Stromunfalls werden. Dieselbe Vorsicht ist auch bei Bahnleitungen geboten. Auch sie können – für Mensch und Tier – zur tödlichen Falle werden.
Speichern, auch im Weltall
In seiner Forschungsarbeit am Institut für Mikroelektronik dringt Kampl in weit kleinere Dimensionen vor. Er befasst sich mit statistischen Verfahren, sogenannten Monte-Carlo-Simulationen, mit denen sich der Zustand eines Elektrons in einem Halbleiter bestimmen lässt. Zumindest mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit. „Wir machen dazu am Computer mehrere Millionen Versuche und berechnen daraus Mittelwerte. So lassen sich die sehr zufälligen Bewegungen der Elektronen am besten ermitteln“, erklärt Kampl, der derzeit an seiner Dissertation arbeitet.
Warum das wichtig ist? Die Forscher wollen so seltene Ereignisse simulieren, die bestehende Modelle bisher vernachlässigten: etwa, wie sich Elektronen mit sehr hoher Energie bewegen. Dann können sie nämlich Bauteile wie Mikroprozessoren beschädigen oder auf einem USB-Stick gespeicherte Informationen löschen. Der Schutz der Daten ist also eine konkrete Anwendung, allerdings eher für den Weltraum. Denn während ein solches Szenario auf der Erde eher unwahrscheinlich sei, könne die radioaktive Strahlung im All Forschungsergebnisse vernichten, sagt Kampl. Ihre Erkenntnisse wollen die Wiener Forscher jedenfalls in den nächsten zwei Jahren gemeinsam mit dem Unternehmenspartner Global TCAD Solutions und Kollegen der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in einem Forschungsreaktor überprüfen.
„Vögel können nur auf Stromleitungen sitzen, weil sie fliegen können.“ Markus Kampl, Elektrotechniker, TU Wien