Am Beginn der Krieg vor dem Krieg
Im Ersten Weltkrieg wurden die Verwerfungen zwischen den Bevölkerungsgruppen nur allzu deutlich. Anstelle des Selbstbestimmungsrechts kam der Großstaat.
Frauen haben sich aufgrund ihrer Solidarität mit der Gesamtbevölkerung besonders ins Zeug gelegt, sie haben mit ihren Leistungen das Leben aufrecht gehalten.“Es sind Frauen im Ersten Weltkrieg, genauer: in Siebenbürgen, über die der Grazer Historiker Harald Heppner spricht. Er hat als fachkundiger Begleiter den 440 Seiten umfassenden Band „Umbruch mit Schlachtenlärm. Siebenbürgen und der Erste Weltkrieg“im Böhlau Verlag herausgegeben, in dem 18 Autoren zu den unterschiedlichen Aspekten dieses Umbruchs Stellung nehmen.
Es seien neue, vor allem dem interessierten Leserpublikum bisher nicht bekannte Forschungsergebnisse veröffentlicht, sagt Heppner. Als bemerkenswert hebt der Historiker neben der Tätigkeit der Frauen noch zwei weitere Themen der Siebenbürgen-Forschung hervor: wie sich schon vor dem Krieg die parlamentarischen Vertretungen Siebenbürgens gegeneinander bekämpften, „sozusagen ein interner Krieg, der noch vor dem Attentat von Sarajevo und dem Beginn des großen Krieges eingesetzt hat“; und wie man schließlich vor dem Ende des Weltkrieges in Siebenbürgen nach einer regionalen Lösung gesucht hat.
Rumänien wartete ab
Transsylvanien mit Siebenbürgen im Zentrum war vom österreichisch-ungarischen Ausgleich 1866 bis 1918 Teil der ungarischen Reichshälfte. Das benachbarte Königreich Rumänien hatte stets ein Auge auf das von einer rumänischen Mehrheit bewohnte Gebiet geworfen, daher spielte die „siebenbürgische Frage“in den Jahren vor 1914 in Verhandlungen der Mittelmächte mit Rumänien stets eine Rolle. Österreich sah man durchaus als freundliche Macht, und Österreich war zu Konzessionen bereit, nicht aber Ungarn. Dazu kam Frankreichs Diplomatie, die ein Zusammenspiel Rumäniens mit den Mittelmächten zu verhindern trachtete. Als Folge erklärte Rumänien zum Beginn des
zählten die Rumänen anno 1910 in Siebenbürgen, 31,6 Prozent die Ungarn, 10,7 Prozent die Deutschen, 1,2 Prozent die Roma und ein Prozent die Serben. Im Jahr 1919 betrugen die Prozentsätze 57,1 sowie 26,5, und 9,8. Die Daten stammen aus Volkszählungen, 1919 gab es keine Angaben für Serben.
betrug im Jahr 1918 der Anteil der Rumänen nur im Banat, 30 Prozent der der Deutschen und je zehn Prozent der der Ungarn und Serben. Die Angaben stammen aus der Führung der übernationalen Banater Arbeiterschaft. Ersten Weltkrieges wie Italien seine Neutralität – und wollte, wie die Quellenforschung ergab, abwarten, welche der kriegführenden Seiten die ersten militärischen Siege verzeichnen würde. Nach der russischen Brussilow-Offensive trat Ende August 1916 Rumänien auf Seite der Entente in den Krieg ein.
Die zentrifugalen Kräfte innerhalb Transsylvaniens analysiert Rudolf Gräf von der Babes-¸BoyaiUniversität in Cluj-Napoca (Rumänien) anhand der Bewohner des Banats. Die ungarische Bevölkerung war naturgemäß ungarisch regierungstreu, die deutschsprachige Bevölkerung fühlte sich zwar in der ungarischen Kultur integriert, es gab aber durchaus auch Sympathien für Rumänien. Der rumänische Bevölkerungsteil rechnete mit dem voraussichtlichen Verlust des Anhaltspunktes Wien, für sie kam Budapest überhaupt nicht in Frage.
In diesem Stadium kam es zu einer Solidarisierung der Arbeiterschaft, die mit sozialpolitischen und übernationalen Themen demonstrierte und mit Kriegsende die Banater Republik ausriefen – auch deswegen, um den Anschluss des von Serben dominierten Teils an Serbien bzw. einem neuen südslawischen Staat zu verhindern. Von Anfang November 1918 an waren große Teile des Banats neun Monate lang von serbischen Truppen besetzt.
Harald Heppner weist auf das 14-Punkte-Programm von US-Präsident Woodrow Wilson mit dem Selbstbestimmungsrecht der Völker und ähnlich gelagerten Versprechungen Frankreichs hin, auf das sich die Volksgruppen Siebenbürgens beriefen. Großrumänien wurde nach dem Weltkrieg mehr als doppelt so groß wie zuvor, und die Verfassung des Jahres 1920 setzte sich über Autonomieforderungen hinweg. Begründet wurde der rumänische Einheitsstaat, in dem in Siebenbürgen ein Drittel der Bewohner nicht der rumänischen Volksgruppe angehörte.
Eintracht und Einheit fehlen
Die Fallbeispiele, die in dem Forschungsband verzeichnet sind, geben ein Bild der auseinanderstrebenden Bevölkerungsteile Siebenbürgens, des Banats und der ungarischen Gebiete wieder. Rumänen, Ungarn und Serben wollten zu ihren angrenzenden Staaten, die Deutschen mussten sich neu ausrichten. Die Orientierung, so Heppner, ist 1918 vielfach verloren gegangen.
Harald Heppner, emeritierter Professor für Südosteuropäische Geschichte an der Uni Graz, hat den Fokus seiner Forschungen auf den Donau-Karpatenraum gelegt, auf die Strukturfragen in diesem Territorium und im Speziellen auf das 18. und 19. Jahrhundert.