Der Herzschlag wird nirgends so präzise analysiert
Medizin. Murmur ist das englische Wort für Herzgeräusch. Mit der in Graz entwickelten Software eMurmur soll sich dieses exakter abhören lassen als bisher. Zudem kann man mit dem Stethoskop des 21. Jahrhunderts Werte vergleichen.
Es war im Jahr 1816, als eine Patientin mit Herzbeschwerden zum französischen Arzt Rene´ Laennec¨ kam. Die Dame war einigermaßen korpulent, sodass er die Herztöne mit Handauflegen nicht wahrnehmen konnte. Außerdem hielt er es für unangemessen, die zweite damals übliche Methode anzuwenden, nämlich ein Ohr direkt auf ihre Brust zu pressen. Also rollte der Arzt ein Stück Papier zusammen, und prompt hörte er die Herztöne „klarer und deutlicher als je zuvor“, wie Laennec¨ später schrieb. Er ging als Erfinder des Stethoskops in die Geschichte ein.
„Vor 200 Jahren hatte man ein Rohr, heute ist es ein Hightech-Stethoskop, mittlerweile oft elektronisch“, sagt Andreas Schriefl, Gründer von CSD Labs. Mit seiner Software eMurmur will er die Auskultation, also das medizinische Abhören, in das 21. Jahrhundert führen und genauer machen. Herzgeräusche sollen schnell, objektiv, präzise bewertbar sein.
„Ich bin immer wieder erstaunt über die rein subjektive Entscheidung beim Abhören“, sagt Schriefl. Schließlich bringe diese zahlreiche Folgen mit sich: Vor allem in den USA komme es zu vielen unnötigen, kostspieligen Überweisungen an Spezialisten, zu einem Kardiologen etwa, weil sich der Erstuntersucher nicht ganz sicher ist und befürchtet, einen gefährlichen Herzdefekt zu übersehen. Doch nur circa 30 Prozent der Überweisungen stellen sich als sinnvoll heraus, so Schriefl. Er ortet hier Einsparungspotenzial.
Babys halten selten still
Besonders bei Neugeborenen, die vor der Entlassung abgehört werden, ist es für den Arzt schwierig, eine genaue Diagnose zu stellen. Babys haben hohe Herzraten und halten oft nicht still. Es wäre sehr hilfreich, wenn es hier ein unterstützendes Tool gäbe, erzählten Ärzte im LKH Graz. „Das war der Startschuss für die Entwicklung eines ersten Prototypen“, sagt Schriefl, der selbst Physik studierte
heißt das Abhören des Körpers bei einer medizinischen Untersuchung von Herz und Lunge. Sie erfolgt typischerweise mit dem Stethoskop, das der französische Arzt Rene´ Laennec¨ 1816 erfand. Die Bandbreite an Herzraten ist sehr hoch und reicht von einem Ruhepuls von 40 Schlägen pro Minute bis zu 200 Schläge pro Minute bei Neugeborenen.
und in Biomedizinischer Technik promovierte. Mit dem Mitgründer Andreas Reinisch entwickelte er, unterstützt vom Austria Wirtschaftsservice aws, den Algorithmus namens Sadie. Er analysiert die oft verrauschten und komplexen Signale und klassifiziert die Herzgeräusche automatisiert mit hoher Genauigkeit.
Im Unterschied zu Laennec¨ braucht der Arzt für eMurmur ein elektronisches Stethoskop. Schnittstelle ist die von CSD Labs entwickelte App, die das Signal aufnimmt. Nach vier Klicks geht es an den Server, wo der Algorithmus die Daten auswertet. Innerhalb weniger Sekunden sind die Analyse und Dokumentation der Herztöne abgeschlossen.
Dem Hausarzt hilft das objektive Ergebnis bei der Diagnose, und Krankenhäuser können so erstmals die Herztöne elektronisch erfassen und dokumentieren. „Wir liefern zusätzlich auch die Signale selbst, die man abspielen, visualisieren und vergrößern kann.“Das Webportal verwaltet alle erfassten Daten. Der Arzt kann relevante Informationen herunterladen, mit Kollegen teilen, in eine Gesundheitsakte integrieren und so etwa Herztöne vergangener Untersuchungen mit aktuellen vergleichen.
Mittlerweile wurde eMurmur an mehr als tausend Patienten getestet, unter anderem auch am Johns-Hopkins-Krankenhaus in Baltimore und am CHEO in Ottawa. Noch im April beginnt eine groß angelegte Studie in Cincinnati, USA, in der eMurmur im klinischen Alltag des Krankenhauses verwendet wird.