Die Presse

In Allwetterk­luft zum Vulkan

Azoren. Sie stehen für ein Hoch, spielen aber mehrmals täglich Wetterroul­ette. Die neun portugiesi­schen Inseln im Atlantik sind ein Ziel für gut ausgerüste­te Spaziergän­ger bis Bergwander­er.

- VON ANJA WAGNER Die Reisen wurden von DAV Summit Club, St. Gallen-Bodensee, Schweiz Tourismus unterstütz­t.

Da hinten wird’s schon wieder hell“– einer der meistgebra­uchten Sätze im Urlaub auf den Azoren. Der Archipel aus neun Inseln bietet eine Menge Abwechslun­g. Das gilt auch und vor allem fürs Wetter: Man kann an einem einzigen Tag alle Jahreszeit­en auf einmal erleben. Gut, den Winter einmal ausgenomme­n. Neben einer großen Portion Flexibilit­ät gehört unbedingt allwettert­augliche Kleidung ins Gepäck. Das bekannte Azoren-Hoch heißt einfach nur so, weil es weit und breit keinen anderen Fixpunkt in seinem Entstehung­sgebiet gibt. Auch in diesen Punkten muss Klarheit geschaffen werden: Die Azoren gehören zu Portugal. Trotzdem sind sie nicht Madeira, sie sind keine typische Massentour­ismusdesti­nation – und dennoch gibt es Sehenswürd­igkeiten zu entdecken. Eine Reise lohnt sich vor allem wegen

Pico de Refugio in Rabo de Peixe. Stylische Apartments & Lofts in altem Gemäuer. www.picodorefu­gio.com Furnas Lake Villas: versteckte­s Hideaway in Furnas, moderne Apartments in Holzwürfel­n mit großen Fensterfro­nten. www.furnasbout­iquehotel.com

Restaurant der Lake Villas: im alten Kurhaus, www.furnaslake­villas.pt

An der Praia de Santa Barbara bei Ribeira Seca: coole Strandbar Tuka Tula.

www.visitazore­s.com/de der Natur. Wer Ruhe sucht, kann auf den Azoren stundenlan­g in üppigem Grün wandern. Auch in den kalten Monaten. Die Orientieru­ng ist dank perfekter Wegmarkier­ung kinderleic­ht: Zwei parallele Striche bedeuten „Hier geht’s lang“und zusätzlich­e Kreuze heißen „Hier nicht“, sodass man nie lang rätselt oder sich in Gedanken versunken vertun kann.

Landschaft­spuzzle

Wegen des feucht-milden Klimas und des fruchtbare­n vulkanisch­en Bodens wächst so ziemlich alles. Wahrzeiche­n sind im Sommer Millionen blau blühender Hortensien­büsche. Wie im Jurassic Park (nur ohne Dinosaurie­r) ist eine zutreffend­e Beschreibu­ng für alle Inseln, die gemeinsam eine kleinere Fläche ergeben als Mallorca. Liebliches Hügelland mit saftigen Wiesen und den Azoren-typischen schwarz-weißen Rindern, waldreiche Berghänge, gewaltige Kraterkess­el und hübsche Küsten – das erinnert an Österreich, Island, Neuseeland, Irland, ein bisschen Ostsee und Hawaii und kann hinter der nächsten Kurve – davon gibt es reichlich – schon wieder anders sein. Dank der überschaub­aren Größe sind alle Punkte der Hauptinsel, Sao˜ Miguel, per Mietwagen schnell zu erreichen und damit kurzfristi­ge Planänderu­ngen jederzeit möglich. Zwei Standorte bieten sich an: Furnas für den Inselosten und Rabo de Peixe, um im Ostteil unterwegs zu sein. Furnas ist eine sympathisc­he Mischung aus Kurort und verschlafe­nem Bauerndorf. An vielen Stellen brodelt es aus kochend heißen Quellen. Selbst im Winter kann man im Terra Nostra Garden, einer der schönsten Parkanlage­n, in dem von heißen Quellen gewärmten, eisenhalti­gen Badesee schwimmen. Das eisenhalti­ge Wasser hat eine nicht so schöne bräunliche Farbe, deshalb lieber keine hellen Badesachen tragen.

Insgesamt 22 Quellen – Caldeiras – dampfen und blubbern bei Furnas. Es riecht nach Schwefel. Kochen im Vulkan: Am Kratersee Lagoa das Furnas wird das Nationalge­richt Cozido zubereitet, und das ist echtes Slow Food: Ein Eintopf wird frühmorgen­s in den Erdlöchern der heißen Quellen am Seeufer vergraben. Keine fünf Stunden später ist das Essen fertig! In der Zwischenze­it lohnt es sich, um den nahezu unverbaute­n See zu spazieren oder zum Aussichtsp­unkt Pico do Ferro oberhalb des Gewässers zu wandern – ein Traumausbl­ick. Sollte der in Wolken stecken, einfach ein paar Minuten weiterfahr­en an die Nordküste und einen Abstecher zur Teeplantag­e Cha´ Gorreana bei Ribeira Grande machen. Endlos grün erstrecken sich die Felder. Seit 1883 wird dort Tee hergestell­t. Ernte ist zwischen März und Oktober – jährlicher Ertrag: 40 Tonnen. Man kann dann bei der Produktion zusehen, die zum Teil noch mit uralten Maschinen aus England funktionie­rt. Früher gab es hier 14 Teefabrike­n, heute sind es zwei.

Die Ostküste wiederum präsentier­t sich schwarz-felsig. Als Highlight schmücken die malerische­n Kraterseen Lagoa Azul und Lagoa Verde die Reiseführe­r und Broschüren. Mittendrin das kleine Dorf Sete Cidades. Ruhig und ein wenig verschlafe­n außerhalb der Sommersais­on. Eine beliebte Tour zu Fuß verläuft entlang des Kraterrand­es bis hinunter zum Uferrand und Dorf. Aussichtpu­nktklassik­er ist der 300 Meter oberhalb gelegene Vista do Rei.

Tourismus-Ruine

Was dort so gar nicht ins Bild passt, ist die Ruine des einstigen Hotels Monte Palace auf diesem Traumplatz. In den Achtzigerj­ahren gebaut, war es seiner Zeit zu sehr voraus und die Azoren noch nicht touristisc­h erreichbar wie heute. Mehr als 170 Betten gab es einst, ein Jahr nach Eröffnung war es bereits Geschichte. Das Haus ist frei zugänglich, ungesicher­t und ein wenig gruselig. Lobby, Wendeltrep­pe, Aufzugssch­acht – vieles ist noch vorhanden. Von den Balkonen der Suiten im Obergescho­ß ist der Ausblick auf die Seen wunderbar. Sollte der Berg noch wolkenverh­angen sein, gilt die AzorenTakt­ik: flexibel sein. Und ein kurzer Blick auf die Webcams der Küste zeigt schnell, wo es schon wieder heller wird.

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[ Imago/Blickwinke­l ] Üppiges Grün, originelle­s Wetter: auf den Azoren.

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