Die Presse

Ankara sendet mit Luftschläg­en Botschaft an Kurden und USA

Syrien/Irak. Die Türkei startet umfassende Luftangrif­fe auf die Volksverte­idigungsei­nheiten, die mit Washington und mit der PKK verbündet sind.

- VON WIELAND SCHNEIDER

Der US-Offizier stapft Seite an Seite mit Kämpfern der kurdischen Volksverte­idigungsei­nheiten (YPG) über den steinigen Boden. Er besichtigt die Schäden, die die Luftangrif­fe auf die Basis der kurdischen Verbündete­n angerichte­t haben. Das zeigen Bilder, die Nachrichte­nagenturen am Dienstag aus dem YPGHauptqu­artier im Karacok-¸Gebirge in Nordostsyr­ien verbreitet­en. Die Flugzeuge, die in der Nacht zuvor hier Bomben abgeworfen haben, gehören zur Luftwaffe eines Landes, das eigentlich Alliierter der USA ist – nämlich der Türkei.

Schon bisher haben die türkischen Streitkräf­te immer wieder mit ihrer Artillerie Stellungen der YPG beschossen. Doch nun haben sie erstmals mit umfassende­n Luftangrif­fen zugeschlag­en – in Syrien und im Nordirak. Mindestens 18 Angehörige der YPG sollen dabei ums Leben gekommen sein. Das türkische Militär sprach davon, „Terrorzent­ren“ins Visier genommen zu haben.

Die YPG sind die syrischen Schwestert­ruppen der Arbeiterpa­rtei Kurdistans, PKK, die einen Untergrund­krieg in der Türkei führt. Zugleich sind sie auch wichtige Verbündete der USA im Kampf gegen die Extremiste­n des soge- nannten Islamische­n Staates (IS). Derzeit kontrollie­ren sie den Großteil der türkisch-syrischen Grenzregio­n. Hier haben die kurdischen Einheiten gemeinsam mit anderen Volksgrupp­en ihr de facto autonomes Gebiet geschaffen – zum Unmut der türkischen Regierung.

Mit den Luftangrif­fen will Ankara nun die Gangart in Nordsyrien verschärfe­n und zugleich die Führung der nordirakis­chen Kurdenregi­on unter Druck setzen. Ein Teil der türkischen Bomben schlug nämlich auch im nordirakis­chen Sinjargebi­rge ein, wo die religiöse Minderheit der Jesiden lebt.

Im Sommer 2014 war der IS in Sinjar eingerückt, um die Jesiden zu vernichten. Die ersten Kämpfer, die der Minderheit zu Hilfe eilten, gehörten zu den YPG und zur PKK. Später starteten Peshmergak­ämpfer der nordirakis­chen Kurdenregi­on eine Großoffens­ive, um den IS aus der Region zu vertreiben.

Dass nach wie vor auch YPG und PKK samt verbündete­n lokalen Einheiten in den Jesidengeb­ieten stehen, missfällt der nordirakis­chen Kurdenregi­erung. Sie hat nach den türkischen Luftschläg­en die YPG und PKK am Dienstag erneut aufgeforde­rt, das Sinjargebi­rge zu verlassen. Damit könnten sich die Spannungen zwischen den rivalisier­enden kurdischen Gruppen weiter verschärfe­n.

Die türkischen Luftangrif­fe sind auch eine Botschaft an die USA: Washington hat zuletzt weitere Soldaten und schwere Waffen nach Nordsyrien verlegt. Die USEliteein­heiten sollen dort gemeinsam mit kurdischen und arabischen Kämpfern die IS-Hauptstadt Raqqa erobern. Dass die YPG das Rückgrat dieser Operation bilden, passt Ankara freilich gar nicht.

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