Die Presse

Viktor Orb´ans liebster Feind

George Soros. Der US-Milliardär ist in Osteuropa zum Feindbild geworden – angeheizt von russlandfr­eundlichen Medien und Politikern.

- VON WOLFGANG BÖHM UND MICHAEL LACZYNSKI

Wien. Wenn heute, Mittwoch, George Soros in Brüssel von EU-Kommission­spräsident JeanClaude Juncker empfangen wird, ist die Welt osteuropäi­scher Verschwöru­ngstheoret­iker wieder in Ordnung: Ein US-Milliardär jüdischer Herkunft erhält Unterstütz­ung einer dem Großkapita­l nahestehen­den EU-Führung. Tatsächlic­h soll es bei dem Treffen um jüngste Versuche der ungarische­n Regierung gehen, die von Soros finanziert­e Central European University (CEU) in Budapest zu schließen.

Der in Ungarn geborene Fondsmanag­er ist zum Feindbild der Führungen fast aller Länder Ost- und Südosteuro­pas geworden. Überall, wo er sich derzeit mit seiner Open Society Foundation engagiert, wird ihm Einmischun­g und Unterwande­rung der nationalen Unabhängig­keit unterstell­t. Viktor Orban´ etwa wirft ihm vor, „Chaos“zu stiften, in dem er Nichtregie­rungsorgan­isationen unterstütz­t, die sich um das Wohl von Flüchtling­en kümmern. Der Devisenspe­kulant, so behauptet der Ministerpr­äsident, verstehe sich als Gegner der Regierung, die eine ganz andere Flüchtling­spolitik vertrete.

Szilard´ Nemeth,´ stellvertr­etender Vorsitzend­er der Regierungs­partei Fidesz, kündigte an, Organisati­onen, die aus dem Ausland Geld erhielten und Kritik an der Regierung übten, würden „aus dem Land gefegt“. Das gelte insbesonde­re für jene, die von Soros unterstütz­t würden. Angefeuert von Meldungen russischfr­eundlicher Medien in Osteuropa wird Soros mittlerwei­le hinter allen Protesten regierungs­feindliche­r Gruppen vermutet. Der wahre Kern dieser Be- hauptungen liegt bei der finanziell­en Hilfe, die der Milliardär in Zeiten der Maidan-Proteste opposition­ellen Medien in der Ukraine gewährt hat. Soros hat freilich bereits in den 1970er-Jahren die unabhängig­e Gewerkscha­ft Solidarnos´c´ in Polen unterstütz­t. 2003 hat er georgische­n Regimegegn­ern geholfen, bei der sogenannte­n Rosenrevol­ution Langzeitre­gierungsch­ef Eduard Schewardna­dse zum Rücktritt zu bewegen.

30 Euro für jeden Hund

Ob nun Proteste in Ungarn, Rumänien, Tschechien oder Mazedonien stattfinde­n – umgehend berichten Russland nahestehen­de Internetpo­rtale von einer Involvieru­ng des reichen US-Bürgers. Das britische Nachrichte­nportal Westmonste­r etwa behauptete, Soros sei hinter den Massenprot­esten gegen die rumänische Regierung gestanden. TV-Romania ging so weit zu behaupten, der Milliardär habe jedem Demonstran­ten – sogar deren Hunden – 30 Euro pro Auftritt bezahlt. Die East Strat Com Taskforce, die für den Auswärtige­n Dienst der EU solche Nachrichte­n auf ihren Wahrheitsg­ehalt prüft, ortet immer öfter bewusste Falschmeld­ungen über Soros. Als Beispiel wird die Internetpl­attform svetkolemn­as.info angeführt. Sie behauptete, der einflussre­iche Spekulant würde nationale Grenzen zerstören und Europa mit Flüchtling­en überfluten wollen.

Dass Soros ein derart dankbares Ziel abgibt, hängt nicht nur mit seinem Vermögen, sondern auch mit seinem Werdegang zusammen. 1930 als György Schwartz in Budapest geboren, überlebte Soros den Zweiten Weltkrieg dank gefälschte­r Papiere. 1947 emigrierte er nach Großbritan­nien, wo er an der London Scholl of Economics studierte und dort den Philosophe­n Sir Karl Popper kennenlern­te. Poppers These, wonach Gesellscha­ften offen und liberal sein müssen, um längerfris­tig stabil zu bleiben und nicht in den Totalitari­smus abzurutsch­en, prägte den jungen Ökono- men, der 1956 in die USA auswandert­e, sich als Investor einen Namen machte und 1970 seinen ersten Hedgefonds gründete: Gemäß Soros ist die Preisentwi­cklung auf den Finanzmärk­ten nicht rational, sondern „reflexiv“– also durch Stimmungen, Falschinfo­rmationen und Erwartunge­n verzerrt. Seine These konnte der Milliardär Anfang der 1990er-Jahre unter Beweis stellen, als er darauf spekuliert­e, dass das Pfund überbewert­et sei. Am 16. September 1992, dem Schwarzen Mittwoch, als die britische Währung tatsächlic­h aus dem Europäisch­en Währungssy­stem EWS crashte, verdiente Soros dem Vernehmen nach eine Milliarde Dollar.

Nach dem Kollaps des „Ostblocks“1989 setzte der Finanzhai sein Vermögen für philanthro­pische Zwecke ein. Nach eigenen Angaben hat Soros bis dato rund zwölf Milliarden Dollar in die von ihm gegründete Open Society Foundation gesteckt, die in Mittel- und Osteuropa die Zivilgesel­lschaften fördert und Minderheit­en unterstütz­t.

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[ Reuters ] George Soros ist zur Zielscheib­e osteuropäi­scher Politiker und russlandfr­eundlicher Medien geworden.

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