Die Presse

Abgase: Schützende Hand der Politik

Autoindust­rie. Europa fürchtet eine Wettbewerb­sverzerrun­g, weil die USA Erleichter­ungen bei den Abgasvorsc­hriften planen. Doch bei uns verhindert bereits Deutschlan­d strengere Kontrollen.

- VON NORBERT RIEF

Wien/Washington. Man war bei Volkswagen etwas nervös. Der deutsche Autoherste­ller wollte sich mit dem US-Justizmini­sterium unbedingt bis Ende Jänner auf einen Vergleich im Dieselabga­sskandal einigen, bevor Donald Trump als neuer Präsident angelobt wird. Er könnte, so die Befürchtun­g bei VW, vielleicht eine strengere Vorgehensw­eise wegen der Betrügerei­en anordnen.

Möglicherw­eise war man etwas voreilig. Denn die Umwelt, so viel ist mittlerwei­le klar, ist Trump kein besonderes Anliegen. Und hätte VW gewartet, wer weiß, wie die Verhandlun­gen wegen manipulier­ter Motoren ausgegange­n wären. Trump jedenfalls hat kein großes Problem mit CO2- und Stickstoff­abgasen. Im Gegenteil: Die derzeit gültigen Abgas- und Verbrauchs­vorschrift­en in den USA seien „teuer für die Autoherste­ller und damit die amerikanis­che Bevölkerun­g“. Er habe die Umweltschu­tzbehörde EPA angewiesen, die unter seinem Vorgänger, Barack Obama, festgelegt­en Standards zu überprüfen, ließ Trump kürzlich bei einem Besuch in der Autostadt Detroit wissen.

Diese Ankündigun­g kann auch für Europa weitreiche­nde Folgen haben. Denn die US-Autobauer können darauf hoffen, sich Milliarden­investitio­nen in effiziente­re Motoren und in eine bessere Abgasreini­gung zu ersparen. Das würde ihnen einen deutlichen Vorteil gegenüber ihrer europäisch­en Konkurrenz geben, die bereits von einer drohende Wettbewerb­sverzerrun­g spricht.

Massive Strafen

Doch auch in Europa hält die Politik ihre schützende Hand über die Autoindust­rie, vor allem in Deutschlan­d, Heim von Volkswagen, Mercedes und BMW. Laut einem Bericht der „Süddeutsch­en Zeitung“blockiert Berlin schärfere EU-Kontrollen der Industrie.

Nach der Abgasaffär­e um Volkswagen und andere Autoherste­ller hat die EU-Kommission einen umfassende­n Vorschlag für strengere Überprüfun­gen der Industrie sowie der nationalen Aufsichtsb­ehörden gemacht. Die Kraftfahrb­ehörden der Länder würden dadurch teilweise entmachtet werden, und die EU würde stichprobe­nartig eigene Abgastests bei bereits genehmigte­n Fahrzeugen durchführe­n. Bei Verstö- ßen gegen die Abgasvorsc­hriften sind strengere Strafen geplant. Bis zu 30.000 Euro sollen möglich sein, notfalls will Brüssel das betroffene Modell ganz vom Markt nehmen können.

Dass die Bedenken der EU durchaus eine Grundlage haben, zeigte sich nach dem Auffliegen des VW-Abgasskand­al. Die deutschen Behörden mussten nach Darstellun­g einiger Experten von den Überschrei­tungen gewusst haben, bevor sie in den USA aufgedeckt wurden. Auch die nationale Kompetenz für die Autozulass­ung in der EU sorgt für Diskussion­en. So werden Fiat in Deutschlan­d und von der EU deutliche Überschrei­tungen der Abgasvorsc­hriften vorgeworfe­n. Italien will davon nichts wissen und sagt, die (italienisc­he) Firma erfülle alle Vorgaben. Deutschlan­d hat zwar gedroht, den betroffene­n Modellen die Genehmigun­g zu entziehen, hat dafür aber keine rechtliche Handhabe.

Dass die Abgastests im Labor nicht annähernd der Realität entspreche­n, ist hinlänglic­h bekannt und wurde jetzt wieder vom Umweltbund­esamt in Deutschlan­d nachgewies­en. Demnach stoßen Dieselfahr­zeuge der Abgasnorm Euro 6 auf der Straße im Schnitt 507 Milligramm Stickoxide pro Kilometer aus. Der Grenzwert – der unter Laborbedin­gungen erreicht wird – liegt bei 80 Milligramm. Erst ab Herbst dieses Jahres werden die Tests schrittwei­se unter realen Bedingunge­n durchgefüh­rt, dafür hat man den Autoherste­llern aber höhere Grenzwerte zugestande­n.

Ermittlung­en gegen Hersteller

Dennoch mussten Autofirmen auch in Europa tricksen, um die Werte zu erreichen. In Frankreich ermitteln die Behörden wegen möglicher Täuschung bei den Dieselabga­swerten gegen VW, Renault und Fiat Chrysler (FCA), nun hat die Justiz auch offiziell Untersuchu­ngen gegen PSA (Peugeot Citroen)¨ angeordnet. Bei Opel hat man dagegen keine Hinweise auf Manipulati­onen gefunden.

Frankreich ist das einzige Land mit einer namhaften Autoindust­rie, das sich nach bisherigen Informatio­nen nicht gegen die aktuellen EU-Pläne ausspricht. Die schärferen Kontrollen werden nicht nur von Deutschlan­d, sondern auch von Italien und Spanien abgelehnt. Damit scheint eine Verschärfu­ng unwahrsche­inlich – und es dürfte wieder (fast) Waffenglei­chheit mit den USA herrschen.

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