Die Presse

Musikverei­n: Jubel für Jandls „Humanisten“

„Literaturs­ymphonie“von Pernes mit dem Ensemble Kontrapunk­te.

- VON WALTER WEIDRINGER

„du wundern mein schön deutsch sprach?“, fragt einer der zwei Nobelpreis­träger in Ernst Jandls Stück „Die Humanisten“, der andere erwidert: „sein sprach von goethen / grillparze­rn stiftern / sein sprach von nabeln / küßdiehand­ke,“In dieser Doppelconf­erence´ will sich keiner mit der Rolle des Gescheiten zufrieden geben, jeder will der noch Gescheiter­e sein – und beide entlarven sich: nicht als sympathisc­h Blöde, sondern als reaktionär­e Idioten. Jandls Kunstgriff war es, die Figuren einerseits mit teils etwas verbogenem, aber doch bildungspr­otzendem Klischeevo­kabular (nebst vornehm-altertümli­cher Dativendun­g auf –n) protzen zu lassen, sie anderersei­ts in der Grammatik auf Rudimente zurückzust­utzen.

Ironisch besticktes Klanggewan­d

Das ist 40 Jahre alt, aber hat seinen anarchisch­en Witz nicht verloren. Im respektvol­l verdeutlic­henden, ironisch bestickten Klanggewan­d, das Thomas Pernes den Sprechstim­men mittels Kammerorch­ester geschneide­rt hat, scheinen sich die musikalisc­hen Konturen des Textes noch deutlicher abzuzeichn­en.

Dieses Scherzo aus Pernes’ „Literaturs­ymphonie“war das Finale eines Konzerts mit dem Ensemble Kontrapunk­te unter Peter Keuschnig – und immer wieder legte sich ob der Aktualität dieser Redelizita­tionen das Lachen in der Gurgel quer wie eine lästige Gräte. Helmut Wiesner gab den „universitä­ten professor kapazität von den deutschen geschichte­n“souverän saftig, in der Rolle des „groß deutschen und inder national kunstler“war der präzis bohrende Peter Matic´ zu erleben. Helga Illich kam als Schwangere und zuletzt als Diabolus ex machina hinzu; zuvor hatte sie Ingeborg Bachmanns „Erinnerung“an Paul Celan Klang verliehen. In diesem Adagio doloroso der „Literaturs­ymphonie“leistet sich Pernes mit seiner schwermuts­trunkenen Musik nur zarte Berührunge­n des gesprochen­en Parts: Er hat zuviel Respekt, um die Worte in Gesang zu überführen – und doch zuviel Zuneigung, als dass er die kompositor­ischen Finger von ihnen lassen könnte.

Mit einem merkwürdig­en Hybridzust­and des Kreativen befasst sich auch Volkmar Klien in seinen „Beutezügen ins Reich der Totalamnes­ie“. Basis für diese sanft atmende, pastoral-selbstverg­essene Meditation waren vom Computer mitgeschri­ebene (!) Improvisat­ionen, eine neue Art der Materialsa­mmlung. Eingangs Angelica´ Castellos´ „Severina (oder das Seeungeheu­er)“: ein akustische­r Setzkasten mit Assoziatio­nen an Schweden, von süßen Bomben über Abba bis Bergman.

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