Musikverein: Jubel für Jandls „Humanisten“
„Literatursymphonie“von Pernes mit dem Ensemble Kontrapunkte.
„du wundern mein schön deutsch sprach?“, fragt einer der zwei Nobelpreisträger in Ernst Jandls Stück „Die Humanisten“, der andere erwidert: „sein sprach von goethen / grillparzern stiftern / sein sprach von nabeln / küßdiehandke,“In dieser Doppelconference´ will sich keiner mit der Rolle des Gescheiten zufrieden geben, jeder will der noch Gescheitere sein – und beide entlarven sich: nicht als sympathisch Blöde, sondern als reaktionäre Idioten. Jandls Kunstgriff war es, die Figuren einerseits mit teils etwas verbogenem, aber doch bildungsprotzendem Klischeevokabular (nebst vornehm-altertümlicher Dativendung auf –n) protzen zu lassen, sie andererseits in der Grammatik auf Rudimente zurückzustutzen.
Ironisch besticktes Klanggewand
Das ist 40 Jahre alt, aber hat seinen anarchischen Witz nicht verloren. Im respektvoll verdeutlichenden, ironisch bestickten Klanggewand, das Thomas Pernes den Sprechstimmen mittels Kammerorchester geschneidert hat, scheinen sich die musikalischen Konturen des Textes noch deutlicher abzuzeichnen.
Dieses Scherzo aus Pernes’ „Literatursymphonie“war das Finale eines Konzerts mit dem Ensemble Kontrapunkte unter Peter Keuschnig – und immer wieder legte sich ob der Aktualität dieser Redelizitationen das Lachen in der Gurgel quer wie eine lästige Gräte. Helmut Wiesner gab den „universitäten professor kapazität von den deutschen geschichten“souverän saftig, in der Rolle des „groß deutschen und inder national kunstler“war der präzis bohrende Peter Matic´ zu erleben. Helga Illich kam als Schwangere und zuletzt als Diabolus ex machina hinzu; zuvor hatte sie Ingeborg Bachmanns „Erinnerung“an Paul Celan Klang verliehen. In diesem Adagio doloroso der „Literatursymphonie“leistet sich Pernes mit seiner schwermutstrunkenen Musik nur zarte Berührungen des gesprochenen Parts: Er hat zuviel Respekt, um die Worte in Gesang zu überführen – und doch zuviel Zuneigung, als dass er die kompositorischen Finger von ihnen lassen könnte.
Mit einem merkwürdigen Hybridzustand des Kreativen befasst sich auch Volkmar Klien in seinen „Beutezügen ins Reich der Totalamnesie“. Basis für diese sanft atmende, pastoral-selbstvergessene Meditation waren vom Computer mitgeschriebene (!) Improvisationen, eine neue Art der Materialsammlung. Eingangs Angelica´ Castellos´ „Severina (oder das Seeungeheuer)“: ein akustischer Setzkasten mit Assoziationen an Schweden, von süßen Bomben über Abba bis Bergman.