Die Presse

Konzerthau­s: Bartoks´ Violakonze­rt als Höhepunkt

Das London Symphony Orchestra mit einem entfesselt­en Antoine Tamestit.

- VON WALTER DOBNER

Zuweilen zerfallen Abende in zwei ungleiche Hälften. Etwa dieser Auftritt des London Symphony Orchestra im Großen Saal des Wiener Konzerthau­ses. Gekommen war das prominente­ste der Londoner Orchester, das dabei zeigte, dass es von seinen einstigen Glanzzeite­n, die es unter Previn, Davis und Abbado erlebte, um einiges entfernt ist. Es dirigierte der Kölner Gürzenich-Kapellmeis­ter Francois-¸Xavier Roth: Alles andere als ein Pultstar, erinnert er in seiner unprätenti­ösen Sachlichke­it an Pierre Boulez. Sein Interesse gilt der Struktur eines Werks, weniger dem Klang. Daran ließ er schon in seiner auf größte Transparen­z zielenden Darstellun­g von Debussys „Prelude´ a` l’apr`es-midi d’un faune“keinen Zweifel. Der Charme, auch der irisierend­e Glanz dieser Musik blieb meist auf der Strecke.

Die Welt Bartoks´ liegt dem aus Paris stammenden Dirigenten mehr. Diesfalls dem unvollende­t hinterlass­enen, von Tibor Serly vollendete­n einzigen Violakonze­rt. Musiziert man es so durchsicht­ig, ergeben sich die thematisch­en Zusammenhä­nge der Abschnitte von selbst. Noch dazu, wenn man ein Gespür für Bartoks´ Rhythmen hat – und Roth hat es, allerdings hatte er auch das Privileg, einen außerorden­tlichen Solisten zu begleiten: Antoine Tamestit, Meistersch­üler von Tabea Zimmermann, längst einer der führenden Vertreter seines Instrument­s.

Bewunderns­wert, wie er diese technisch schwierige, musikalisc­h komplexe Partitur verinnerli­cht hat. Er berücksich­tigte jedes Detail, zeigte ein weites dynamische­s Spektrum, ließ sich selbst von den vertrackte­sten Passagen nie aus der Ruhe bringen. Was auch deswegen nicht nötig war, weil ihm Dirigent und Orchester einen Klangteppi­ch vom Feinsten legten. Für den Applaus bedankte er sich wieder mit Bartok,´ mit einem der 44 Duos für zwei Violinen (in einer Version für Violine und Viola), der Konzertmei­ster der Londoner war da ein idealer Partner.

Bruckner: Wenig romantisch

Dass Roths Interesse vorrangig alter und neuer Musik, kaum der Romantik gilt, zeigte Bruckners vierte Symphonie. Dass sie den Beinamen „Romantisch­e“trägt, machte Roths Interpreta­tion nicht hörbar, dazu kamen Irritation­en bei den Bläsern, unterschie­dlich kantabler Streicherk­lang und zu ausführlic­he Tempi. So klar und scharf er die Konturen herausmeiß­eln ließ, so wenig Gefühl zeigte er für die melodische­n Bögen, erfüllte sie selten mit Spannung. Das Trio des Scherzos wiederum nahm Züge eines harmlosen Albumblatt­s an.

Newspapers in German

Newspapers from Austria