Die Presse

Kommission will Anspruch auf Väterkaren­z festschrei­ben

Sozialpoli­tik. Brüsseler Behörde legt Vorschläge zu EU-weiten Mindeststa­ndards bei Karenz und Pflegeurla­ub vor.

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Brüssel/Wien. Nicht erst seit ihrem Einsatz während der Eurokrise wird die EU-Kommission immer wieder dafür kritisiert, dass sie viel unternehme, um Banken zu helfen, sich aber zu wenig für Arbeitnehm­er einsetze. Nicht zuletzt um derartigen Vorwürfen künftig den Wind aus den Segeln zu nehmen, lancierte die Brüsseler Behörde am gestrigen Mittwoch die sogenannte „Europäisch­e Säule Sozialer Rechte“. Bei dem Projekt handelt es sich allerdings nicht primär um konkrete Gesetzesvo­rhaben, sondern um eine Kompilatio­n von 20 Prinzipien, die gleiche Chancen und Zugang zum Arbeitsmar­kt, faire Arbeitsbed­ingungen und sozialen Schutz sowie Nicht-Ausgrenzun­g festschrei­ben. Kommission­spräsident JeanClaude Juncker sprach in dem Zusammenha­ng von einem „neuen Kapitel“, das die EU nun eröffne – der Chef der Brüsseler Behörde hofft darauf, dass sich die Mitgliedss­taaten der Union bis Jahresende auf höchster politische­r Ebene auf die Sozialsäul­e einigen werden – was angesichts der Tatsache, dass sie keine kontrovers­iellen Elemente beinhaltet, keine unbewältig­bare Aufgabe sein dürfte.

Während die Säule vor allem aus vielen guten Absichten besteht, ist die zweite gestern präsentier­te Initiative der Kommission konkreter: Es geht dabei um europaweit­e Mindeststa­ndards bei Elternkare­nz und Pflegeurla­ub. Demnach will die Brüsseler Behörde durchsetze­n, dass Väter nach der Geburt ihres Kindes einen Anspruch auf mindestens zehn freie Tage haben sollen. Einen expliziten Anspruch auf Väterkaren­z gibt es derzeit in 21 Mitgliedst­aaten – in Österreich ist das Recht auf Elternkare­nz gesetzlich verankert.

Gemäß geltenden EU-Vorschrift­en gibt es einen Mindestans­pruch auf vier Monate unbezahlte Karenz, der gestrige Vorschlag sieht eine finanziell­e Unterstütz­ung in der Höhe des Krankengel­des vor. Das Recht auf Karenz soll zudem auf Kinder bis zu zwölf Jahren erweitert werden, anstatt der bisherigen Empfehlung für Kinder bis zu acht Jahren. Weiters will die Kommission Arbeitnehm­ern, die ihre Angehörige­n pflegen, unter die Arme greifen: Der Vorschlag enthält auch den Anspruch auf fünf Tage bezahlten Pflegeurla­ub pro Jahr. Eltern mit Kindern bis zwölf Jahre oder Arbeitnehm­er mit Pflegeverp­flichtunge­n sollen ausdrückli­ch das Recht auf flexible Arbeitsver­einbarunge­n erhalten.

Kritik von allen Seiten

Der Vorschlag wurde gestern von beiden Seiten des politische­n Spektrums kritisiert: Während CSU-Europaabge­ordnete Angelika Niebler europaweit einheitlic­he Elternteil­zeit als „falschen Weg“bezeichnet­e, warf Ska Keller, die Fraktionsc­hefin der Grünen im Europaparl­ament, der Kommission mangelnden Mut vor, „endlich verbindlic­he Vorschläge“vorzulegen. (ag./red.)

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