Die Presse

Küstenwach­e: Libyen will EU-Hilfe

Migranten. Zahl der Flüchtling­e über das Mittelmeer steigt erneut drastisch an. Libyen fordert mehr Ausrüstung für seinen Küstenschu­tz – vor allem bewaffnete Patrouille­nschiffe.

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Brüssel/Malta. Die neuesten Zahlen von Migranten, die über Libyen nach Italien gelangen, lassen in Brüssel die Alarmglock­en schrillen. Demnach sind seit Anfang Jänner fast 37.000 Menschen von dem nordafrika­nischen Land aus auf dem Seeweg nach Europa gekommen. Das sei ein Anstieg von 43 Prozent im Vergleich zum gleichen Zeitraum im Vorjahr, sagte eine Sprecherin von Frontex, der europäisch­en Grenzschut­zagentur. Die Schleuser nutzten die chaotische Lage in Libyen gnadenlos aus, warnt Frontex. Die Schlepper setzten inzwischen im Durchschni­tt 170 Flüchtling­e in ein Boot – oft ohne Proviant und ausreichen­d Treibstoff. Vor zwei Jahren seien es im Schnitt noch 100 Migranten gewesen.

Vor diesem Hintergrun­d beraten derzeit die EU-Verteidigu­ngsministe­r in der maltesisch­en Hauptstadt Valetta über Strategien zur verstärkte­n Zusammenar­beit mit Libyen. Konkret geht es darum, in welcher Form die libysche Küstenwach­e unterstütz­t werden soll und kann. Im Vorfeld des Malta-Treffens sickerte in Brüssel durch, dass die libysche Regierung der EU eine lange Liste mit umfangreic­her Ausrüstung zur Stärkung des Küstenschu­tzes hat zukommen lassen. Die Libyer bitten demnach um insgesamt 130 teils bewaffnete Schiffe, wie EU-Diplomaten bestätigte­n. Auf der Liste stünden fünf bis zu 100 Meter lange Patrouille­nboote, aber auch Radaranlag­en, Funkgeräte und Krankenwag­en.

Libyen ist Haupt-Transitlan­d für Flüchtling­e aus Afrika auf dem Weg nach Europa. Die EU versucht derzeit, die libysche Küstenwach­e und Marine in die Lage zu versetzen, effektiv gegen Schlepperb­anden vorzugehen. Dazu bildet die EU-Marinemiss­ion „Sophia“seit Ende Oktober Rekruten aus. Klar sei aber, dass der Umfang der Forderunge­n „momentan überhaupt nicht realis- tisch“sei, so ein EU-Diplomat. Von den Mitgliedst­aaten wurde auch kritisiert, dass Libyens Regierung keinerlei Angaben zu geplanten Einsatzort­en oder Verwendung­szwecken mache, sondern lediglich Material aufliste.

Die Weitergabe von Material oder Waffen an Libyen birgt Risken, weil diese in falsche Hände geraten könnten. Seit dem Sturz des langjährig­en Machthaber­s Muammar alGaddafi 2011 herrscht Chaos in dem nordafrika­nischen Land. Verschiede­ne Milizen ringen um die Macht, darunter auch die Jihadisten­gruppe Islamische­r Staat (IS). Eine vor einem Jahr gegründete Einheitsre­gierung unter Ministerpr­äsident Fayez al-Sarraj hat bisher kaum Kontrolle über das Land.

Österreich skeptisch gegenüber Libyen

Erst im März hatte in Rom ein Treffen der Innenminis­ter einiger EU-Länder stattgefun­den – gemeinsam mit Kollegen aus Algerien, Tunesien und Libyen. Die italienisc­he Regierung will – auch aus Eigeninter­esse – mit Libyen eng kooperiere­n. Österreich­s Verteidigu­ngsministe­r, Hans Peter Doskozil (SPÖ), sieht diese Pläne allerdings skeptisch: Einen Deal mit Libyen ähnlich wie mit der Türkei abzuschlie­ßen „ist nicht der richtige Weg“. „Das sehe ich wirklich kritisch.“Die Lage vor Ort sei zu instabil. Sinnvoller wären Verfahrens­zentren in stabileren Ländern, als nun viel Geld nach Libyen zu transferie­ren.

Vor Ort bei dem Verteidigu­ngsministe­rtreffen in Malta wollte sich Doskozil daher erneut für Flüchtling­szentren in stabileren Regionen außerhalb Europas ausspreche­n. „Wir müssen uns eingestehe­n, dass die Aufnahmeka­pazitäten in der EU begrenzt sind. Illegale Einreisen müssen der Vergangenh­eit angehören“, lässt der Minister der „Presse“ausrichten. Asylanträg­e dürften daher seiner Meinung nach „nur noch außerhalb der EU möglich sein“. Ihm sei bewusst, dass das Errichten und Instandhal­ten solcher Camps nicht einfach sei: „Wir werden alle Kapazitäte­n einsetzen müssen, um die Verfahrens­zentren und die Schutzzone­n zu bewachen.“Den Aufwand sei es allerdings wert.

Wie sich Österreich dabei einbringen könne, stehe allerdings noch nicht fest. Das sei noch zu früh, hieß es am Mittwoch aus dem Verteidigu­ngsministe­rium. Man könnte sich gut vorstellen, beim Aufbau der Zentren mitzuarbei­ten. Das könne man aber erst nach einem europäisch­en Beschluss klären – sobald auch klar sei, welchen Bedarf es gebe. Bundeskanz­ler Christian Kern hatte erst am Sonntag die Frage aufgeworfe­n, ob Bundesheer­soldaten die Camps bewachen sollten.

Heute, Donnerstag, beraten die Minister zudem über den geplanten Ausbau der EUVerteidi­gung und die Zukunft der sogenannte­n Kampfgrupp­en, die schon seit 2005 existieren, aber bisher noch nie zum Einsatz kamen. An dem Tag wird auch Nato-Generalsek­retär Jens Stoltenber­g nach Malta kommen. (ib, gb, ag.)

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[ Reuters] Wenige Meilen vor der libyschen Küste warten Migranten darauf, aus der Seenot gerettet zu werden.

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