Schelling kritisiert Verzögerungstaktik der SPÖ
Kalte Progression. Für Finanzminister Hans Jörg Schelling ist die Abschaffung der kalten Progression „eine Frage der Gerechtigkeit“. Dass sein Konzept von der SPÖ blockiert werde, gehe auf Kosten des Mittelstands, betont er.
Wien. Wieder zog am Dienstag ein Ministerrat durchs Land, wieder wurde das Thema kalte Progression nicht behandelt. Somit hat die Regierung das Versprechen, die Sache bis Mai zu erledigen, nicht gehalten. Finanzminister Hans Jörg Schelling stellt auf Anfrage der „Presse“klar: „Mein Konzept liegt seit Anfang März bei der SPÖ. Von mir aus kann man das jederzeit umsetzen. Das ist für mich eine Frage der Gerechtigkeit für die Steuerzahler.“
Die Sache ist nämlich ziemlich verzwickt. Seit Jahr und Tag wehren sich die Finanzminister dieses Landes, das Körberlgeld namens kalte Progression herzugeben. Jetzt plötzlich gibt es mit Schelling einen Finanzminister, der freiwillig gerne darauf verzichten würde. Und siehe da: Der Koalitionspartner will ihm und vor allem den Steuerzahlern diesen Gefallen partout nicht machen.
Bis zuletzt fehlte es also an der Zustimmung der SPÖ. Schellings Konzept sieht vor, dass die Tarifstufen ab 2018 der Inflation angepasst werden und zwar kumuliert auf einer Inflation von fünf Prozent. Also ähnlich wie es etwa bei Mieten gehandhabt wird.
Jährlich nimmt die kalte Progression den Bürgern still und heimlich mehr als 2,5 Milliarden Euro aus der Tasche. Und zwar immer dann, wenn diese nach Gehaltserhöhungen in eine höhere Steuerklasse geraten. Mit einer Inflationsanpassung, wie es das Konzept des Finanzministers vorsieht, würde ein Arbeitnehmer mit 2000 Euro brutto im Monat pro Jahr 228 Euro weniger Steuer zahlen.
Besserverdiener würden gemessen an ihrem Gehalt etwas weniger entlastet. Bei 6300 Monatsbrutto läge die jährliche Steuerersparnis bei 458 Euro, heißt es im Finanzministerium. Dabei handelt es sich um einen Kompromissvorschlag des ÖVP-Finanzministers. Bekanntlich gibt es in der SPÖ Stimmen, die Besserverdiener gar nicht von der kalten Progression befreien wollen. Für Schelling ist die von ihm vorgelegte Version allerdings nicht weiter verhandelbar. „Jetzt geht es um den Mittelstand – es sind die Steuerzahler, die Österreich erhalten und das gut ausgebaute System ermöglichen.“
Schelling geht es also im Prinzip genau um jene „Mittelschicht“, die Kanzler Christian Kern jüngst in einer sehr ambivalent aufgenommenen SPÖ-Kampagne als Pizzabote bedienen möchte.
Warum spießt es sich dennoch? Warum kommen ÖVP und SPÖ bei der kalten Progression auf keine Einigung? Ein ÖVP-Verhandler zur „Presse“: „Auf jeden Kompromissvorschlag unsererseits werden wir von der SPÖ mit neuen Forderungen konfrontiert.“
SPÖ will Negativsteuer
Die kalte Progression betrifft jene, die monatlich mehr als 1256 Euro brutto verdienen. Die SPÖ will allerdings auch Bürger entlasten, die gar keine Lohnsteuer zahlen. Und zwar in Form einer höheren Negativsteuer. Die Niedrigverdiener sollen also einen Teil ihrer Sozialversicherungsbeiträge rückerstattet bekommen. Schelling ist strikt dagegen und sagt: „Die Abschaffung der kalten Progression ist keine sozialpolitische, sondern eine steuerpolitische Maßnahme.“