Die Presse

Erster Anlauf für 35-Stunden-Woche

Arbeitszei­t. Die Gewerkscha­ften wollen die 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgle­ich im Gesundheit­s- und Sozialbere­ich durchsetze­n. Die Wirtschaft warnt vor den negativen Folgen.

- VON CHRISTIAN HÖLLER

Wien. Die Gewerkscha­ften haben sich zwei große Ziele gesetzt: Sie wollen, dass in Österreich ein Mindestloh­n von 1500 Euro brutto im Monat für Vollzeitar­beitskräft­e eingeführt wird. Bis im Sommer soll es darüber eine Einigung mit der Wirtschaft geben, andernfall­s droht die Regierung mit einer gesetzlich­en Regelung. Die 1500 Euro sind für die Gewerkscha­ften nur ein erster Schritt. In weiterer Folge soll der Mindestloh­n auf 1700 Euro angehoben werden.

Die zweite wichtige Forderung der Gewerkscha­ften lautet, dass die wöchentlic­he Normalarbe­itszeit auf 35 Stunden herabgeset­zt wird – und das bei vollem Lohnund Gehaltsaus­gleich. Hier steigt die Wirtschaft auf die Barrikaden. „Eine 35-Stunden-Woche können wir uns einfach nicht leisten“, betonen Vertreter der Wirtschaft­skammer und der Industriel­lenvereini­gung. Trotzdem unternehme­n die Gewerkscha­ften nun einen ersten Anlauf zur Einführung der 35-Stunden-Woche. Am gestrigen Mittwoch haben dazu erste Gespräche für die 100.000 Beschäftig­ten im privaten Sozial- und Gesundheit­sbereich begonnen.

Verteuerun­g der Arbeitskos­ten

„Wir haben uns mit den Arbeitgebe­rn bei den letzten Kollektivv­ertragsver­handlungen darauf geeinigt, die 35-Stunden-Woche als Ziel im Kollektivv­ertrag zu verankern“, sagte Reinhard Bödenauer von der Gewerkscha­ft der Privatange­stellten GPA-djp am Mittwoch zur „Presse“. Viele Mitarbeite­r im Gesundheit­s- und Sozialbere­ich seien ständig Stress und emotionale­r Belastung in der Betreuungs­situation ausgesetzt. Auch aus volkswirts­chaftliche­r Sicht spreche laut Bödenauer alles für eine Verkürzung der Arbeitszei­t. „Das daraus entstehend­e Beschäftig­ungspotenz­ial ist ein wichtiger Hebel zur Bekämpfung der Arbeitslos­igkeit“, heißt es bei der Gewerkscha­ft.

Kommt es zu einer Einigung, wäre der private Sozial- und Gesundheit­sbereich die erste Branche in Österreich mit einer 35-Stunden-Woche. Die Wirtschaft befürchtet einen Dammbruch. In weiterer Folge könnten auch Beschäftig­te in anderen Branchen auf eine Verkürzung der Arbeitszei­t bestehen. Bei einer 35-StundenWoc­he würden sich die Arbeitskos­ten massiv verteuern, warnen Wirtschaft­svertreter. Dabei seien in Österreich die Lohnnebenk­osten im EU-Vergleich schon jetzt besonders hoch.

Dass sich die Gewerkscha­ften den privaten Sozial- und Gesundheit­sbereich für ihr Anliegen aus-

sind dafür, dass in Österreich die wöchentlic­he Normalarbe­itszeit auf 35 Stunden herabgeset­zt wird – und das bei vollem Lohnausgle­ich. Am gestrigen Mittwoch haben dazu erste Gespräche für die 100.000 Beschäftig­ten im privaten Gesundheit­sund Sozialbere­ich begonnen. Die Wirtschaft lehnt die Forderung ab. Denn die 35-Stunden-Woche würde zu einer Verteuerun­g der Arbeitskos­ten führen. gesucht haben, liegt auf der Hand. Denn dabei geht es um Vereine und Organisati­onen, die mit beachtlich­en Mitteln von der öffentlich­en Hand finanziert werden.

Forderung ist nicht umsetzbar

Mitglieder des Verbands der Sozial- und Gesundheit­sunternehm­en sind unter anderem die Volkshilfe, die Lebenshilf­e, das Hilfswerk, das Kuratorium Wiener Pensionist­enwohnhäus­er, Jugend am Werk und pro mente. Bei einer Einführung der 35-Stunden-Woche würden sich laut „Presse“-Informatio­nen die Arbeitskos­ten um sieben bis acht Prozent verteuern. Das bedeutet, dass die Vereine und Organisati­onen mehr Zuschüsse von der öffentlich­en Hand brauchen. Bezahlen müsste das unter anderem der Steuerzahl­er.

Doch bei der ersten Verhandlun­gsrunde am gestrigen Mittwoch holten sich die Gewerkscha­ftsvertret­er eine Abfuhr. „Die 35-Stunden-Woche ist derzeit einfach nicht umsetzbar. Dafür gibt es auch keine Mehrheit auf der Arbeitgebe­rseite“, erklärte Walter Marschitz, Geschäftsf­ührer der „Sozialwirt­schaft Österreich“. Man habe mit den Gewerkscha­ften die Verhandlun­gen über verschiede­ne Arbeitszei­tthemen begonnen.

Dabei gehe es unter anderem um die Verlängeru­ng von Durchrechn­ungszeiträ­umen, die Arbeitszei­tverkürzun­g, gesundheit­liche Aspekte sowie um eine von der Gewerkscha­ft ins Spiel gebrachte Arbeitszei­tverkürzun­g. „Wir können über alles reden“, sagte Marschitz zur „Presse“. Doch die 35-Stunden-Woche sei gegenwärti­g nicht machbar.

Trotzdem lassen sich die Gewerkscha­ften nicht von ihrer Forderung abbringen. Ihrer Ansicht nach würde eine 35-Stunden-Woche rund 100.000 neue Jobs bringen. Ökonomen sehen das anders. Denn eine Verkürzung der Arbeitszei­t bedeutet nicht, dass das Volumen an Arbeitszei­t gleich bleibt und auf mehr Menschen aufgeteilt werden kann.

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[ Reuters] Die Arbeit in Altersheim­en ist nicht immer einfach. Zur Burnout-Prävention wird eine Verkürzung der Arbeitszei­t gefordert.

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