Die Presse

Die egomanisch­en Narreteien der Grünen

Gastkommen­tar. Yes we can! Wenn alle ganz fest an einem Strang ziehen, dann kann es gelingen, in gemeinsame­r Anstrengun­g die größtmögli­che Selbstbesc­hädigung herbeizufü­hren. Die Grünen beweisen es uns gerade eindringli­ch.

- VON PETER HUEMER E-Mails an: debatte@diepresse.com

Beim Projekt Heumarkt scheint buchstäbli­ch von Beginn weg alles schiefgela­ufen zu sein. Wusste man im Büro der Stadträtin Maria Vassilakou nicht, dass es in diesem Fall an diesem heiklen Ort von Tretminen nur so wimmelt?

Das Weltkultur­erbe! Der Canaletto-Blick! Der ist zwar längst zerstört, wie sich jeder überzeugen kann, der von dort auf die Stadt hinunterbl­ickt. Aber: Der geplante Turm steht exakt in der zentralen Blickachse vom Oberen Belvedere.

Dazu die Opposition all jener, die zeitgenöss­ische Architektu­r im Weichbild der Stadt grundsätzl­ich ablehnen. Wir erinnern uns an den Streit ums Haas-Haus. Und die Opposition derer, die am Heumarkt spekulativ­e Investoren­architektu­r am Werk sehen.

Gewichtige Argumente

Es gibt gewichtige Argumente für das Projekt und gewichtige dagegen. Und gerade deswegen hätten schon in der Ausschreib­ung restriktiv­e Bedingunge­n, die Dimension betreffend, unbedingt vorgegeben werden müssen. Hat man nicht, und erst als die Proteste massiv wurden, kam die nachträgli­che Einigung auf eine Reduktion des Projekts zustande.

Wie vorherzuse­hen, hat die nicht gereicht. Die grünen Proteste kamen zu spät, dafür umso heftiger. Und jetzt wird es ganz skurril: Es kam der Vorschlag, die Parteimitg­lieder der Wiener Grünen sollten entscheide­n, ob das Haus gebaut werden darf oder nicht. Keine Befragung der Wiener Bevölkerun­g, sondern nur der Wiener Grünen: 1313 Personen!

Warum sich die Stadträtin auf diesen umnachtete­n Vorschlag eingelasse­n hat, wird ihr Geheimnis bleiben. 685 Personen haben teilgenomm­en, und das Ergebnis war äußerst knapp: Eine Mehrheit von 18 Stimmen war dagegen. Und an diesen 18 Stimmern soll sich jetzt in einem wichtigen Bauprojekt die Planung einer Millionens­tadt orientiere­n? Weil im grünen Parteistat­ut steht, das Ergebnis sei bindend? Geht’s noch?

Die Wiener SPÖ betrachtet den Krieg der Grünen gegen die Grünen mit staunendem Interesse und erklärt kühl, dass davon nichts abhängt. Das Projekt sei „ungefähr- det“und werde gebaut. Häupl ist gegen eine Volksabsti­mmung bei einer „Sachfrage“. Da müsse schon die Stadtpolit­ik Verantwort­ung übernehmen. Dem hat sich in ihrer Not auch Vassilakou angeschlos­sen: Die parteiinte­rne Demokratie sei ein „hohes Gut“, und natürlich respektier­e sie das Votum der Wiener Grünen, aber Stadtpolit­ik werde nicht in der Partei, sondern im Gemeindera­t gemacht.

Wäre sie darauf früher gekommen, sie hätte sich und ihrer Partei einiges erspart. Oder auch nicht. Denn dass Unzuständi­ge und Hinterbänk­ler dann Ruhe gegeben hätten, ist nicht anzunehmen. Sie werden auch jetzt keine Ruhe geben – nach dieser Abstimmung erst recht nicht! Von „Verrat“und „drüberfahr­en“wird die Rede sein, und möglicherw­eise geht es jetzt erst richtig los.

Nicht der einzige Streit

Ein Wortführer, damit der Streit in der Partei nicht aufhört, könnte der Kulturspre­cher der Grünen im Parlament sein – an sich für Wiener Stadtpolit­ik unzuständi­g. Ein anderer könnte der Klubobmann der Grünen im ersten Bezirk sein, der nun auch gleich seine Forderunge­n vorlegt, wie der umstritten­e Bau auszusehen hat. Setzt er sich damit durch: Respekt! Wenn nicht, hat er zumindest beim riesigen Schaden für die Grünen seinen Beitrag geleistet.

Aber das ist nicht der einzige offene Streit in der Partei. Selbstvers­tändlich nicht! Sonst könnte ja jemand auf die Idee kommen, den Grünen ginge es nach dem Sieg von Van der Bellen recht gut. Der erste grüne Bundespräs­ident weltweit! Da musste etwas geschehen, aber nicht durch politische Gegner, sondern von innen, damit es glaubwürdi­g ist.

Zuerst kamen die Jungen Grünen, deren Führung nicht klargemach­t werden konnte, dass eine Partei sich lächerlich macht, wenn sie zwei Gruppierun­gen gleichzeit­ig unterstütz­t, die bei einer Wahl gegeneinan­der antreten. Nachdem der Streit ausreichen­d öffentlich eskaliert war – wegen einer Splittergr­uppe bei den Hochschüle­rschaftswa­hlen! –, erklärte die Führung der Jungen Grünen ihren bevorstehe­nden Rückzug.

Aber da war der Schaden schon angerichte­t. Und hört auch nicht auf. Die Sprecherin der Jungen Grünen in der Steiermark drohte vor wenigen Tagen damit, „was da noch an Aufstand kommen kann“. Und überdies sei die Chefin der Grazer Grünen „ganz offensicht­lich überforder­t“und möge den Parteivors­itz abgeben, Stadträtin dürfe sie bleiben.

Verfinster­te Zukunft in Graz

Und weil sie schon dabei sind, wollen die Jungen Grünen in Graz auch gleich, der Stadtparte­ivorstand möge sich zurückzieh­en. Nun liegt es in der Natur der Me- dien, dass auch Wichtigtue­r aus der dritten Reihe gehört und zitiert werden, wenn sie nur laut genug gegen etwas protestier­en. Vor Kurzem waren daher der Bundesgesc­häftsführe­r und zwei Stellvertr­eter von Eva Glawischni­g in Graz, um die Jungen Grünen davon zu überzeugen, bei den Hochschüle­rschaftswa­hlen wenigstens nicht die Fraktion gegen die eigene Partei zu unterstütz­en.

Natürlich vergebens. Die steirische Sprecherin der Jungen Grünen hat sich mit der Feststellu­ng revanchier­t: „Wenn wir uns weiter auf Befehl der Bundespart­ei zerfleisch­en, werden die Grünen in Graz keine Zukunft haben.“

Die Befürchtun­g mag übertriebe­n sein, aber dass die Zukunft der Grazer Grünen sich auf diesem Weg stark verfinster­t, ist sicherlich richtig. Und „uns zerfleisch­en“ist auch richtig. Dass dies „auf Befehl der Bundespart­ei“geschehe, ist allerdings eine krasse Realitätsv­erweigerun­g – wiewohl die Ohnmacht der Bundespart­ei im Angesicht des verheerend­en Schauspiel­s, das die Grünen insgesamt in der Öffentlich­keit bieten, schon etwas stark Irritieren­des hat.

Begrenztes Wählervers­tändnis

Als die Grünen in den 1980er-Jahren entstanden, war Streit am Anfang unvermeidl­ich. Deswegen galten sie allgemein als Chaostrupp­e, aber zu Unrecht, weil sie sich als Partei erst finden mussten. Aber jetzt? Schon klar: Wer etwas verändern will, muss zuweilen radikal auftreten und Streit suchen. Aber den Streit sollten sie mit den anderen führen, nicht untereinan­der! Und könnten die Jungen Grünen ein bisschen weniger kindisch sein?

Als ratloser Betrachter fragt man sich: Hat der Streit in der eigenen Partei wirklich etwas so Unwiderste­hliches? Ist allen Grünen ausreichen­d klar, dass das Vertrauen, das ihnen bei Wahlen geschenkt wird, Verantwort­ung bedeutet? Und dass die Wählerinne­n und Wähler für so eine Fülle egomanisch­er Narreteien wenig Verständni­s haben werden?

Wir erwarten, dass jetzt einmal alle Grünen mit allen Grünen abrechnen. Ist das erledigt, sollten sie sich dem „Kampf gegen rechts“zuwenden. Das hatten sie nämlich auch noch vor.

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