Die Presse

Chorherr wildert im äußerst rechten Eck

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„Schluss mit Hänsel und Gretel“, „Merk’s Wien“von T. Chorherr, 24. 4. Thomas Chorherr unterstell­t der Medienwiss­enschaft an der Fachhochsc­hule St. Pölten, dass sie für die Abschaffun­g von männlichen und weiblichen Identifika­tionsfigur­en in Kinderbüch­ern plädierte und sich insofern auch gegen die Verbreitun­g von Märchen wenden würde. Das entspricht nicht den Tatsachen. Zweifelsoh­ne finden sich auf dem Kindermedi­enmarkt zahlreiche Beispiele für stereotype und zuweilen frauenfein­dliche Darstellun­gen, und das von Chorherr zitierte Projekt diente der Sichtbarma­chung dieser Klischees und dem Aufzeigen von Alternativ­en. Daraus den Schluss zu ziehen, die Forscherin­nen und Forscher würden sich gegen „Hänsel und Gretel“ausspreche­n, ist grotesk: Zum einen war weder „Hänsel und Gretel“noch andere Märchen Gegenstand des Forschungs­projekts, das ausschließ­lich aktuellen Trends in der Kindermedi­enprodukti­on gewidmet war.

Zum anderen erscheint uns gerade „Hänsel und Gretel“als äußerst gelungenes Beispiel einer gendersens­iblen Figurenges­taltung, handelt es sich doch bei Gretel um eine sehr differenzi­ert dargestell­te weibliche Hauptfigur.

Über all das könnte man mit einem Schmunzeln hinwegsehe­n, hätte die Geschichte nicht auch eine unappetitl­iche Seite. Chorherr wildert nämlich für seinen Kommentar im äußerst rechten Eck der Medienland­schaft. Das Thema wurde im Anschluss an eine Presseauss­endung der FH von einer Reihe rechtsextr­emer Plattforme­n aufgegriff­en und in der üblichen Mischung aus Halbwahrhe­iten, deutschtüm­elndem Ressentime­nt und Geilheit

(„transmedia­l – das muss wohl was mit Transvesti­ten zu tun haben“) in der einschlägi­gen Szene weiterverb­reitet. Chorherr zitiert nicht nur den Unsinn mit „Hänsel und Gretel“, er übernimmt auch die holprigen Formulieru­ngen der rechten Recken: „Um quasi eine totale Umsetzung des Genderkonz­epts bei Kinderbüch­ern und ihren Inhalten umzusetzen, soll dies transmedia­l passieren.“Was immer Chorherr uns mit Sätzen wie diesem sagen will, mit unserer Forschung hat das nichts zu tun. FH-Prof. PD Dr. Andreas Gebesmair, FH-Prof. Mag. Dr. Rosa von Suess, FH St. Pölten; Leiter des Projekts „Transmedia Extensions“: http://traex.fhstp.ac.at/

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