ÖVP-Ruf nach Neuwahl
Kulissengespräche. Im Parteivorstand des kleineren Regierungspartners hat sich eine Mehrheit für ein Vorziehen des Urnengangs um ein Jahr ausgesprochen.
Der ÖVP-Bundesparteivorstand hat sich heimlich mit klarer Mehrheit für eine Neuwahl im Herbst ausgesprochen.
Vizekanzler Reinhold Mitterlehner war das Ablenkungsmanöver perfekt gelungen. Er referierte an jenem vergangenen Montag bei einer Pressekonferenz nach den Sitzungen der Spitzengremien seiner Partei – der Parteileitung am Montag, des Vorstands am Sonntag – über einen neuen ÖVP-Schwerpunkt. Eine Aktion für Eigentumswohnungen und Häuser, wie die Journalisten notierten. So weit, so unspektakulär.
Dabei hatte es das vorangegangene Treffen vom Sonntag in sich. Die Topentscheider der ÖVP mit Landes- und Bündechefs versammelten sich zum Bundesvorstand. Laut Vorabinformationen sollten dabei zwei langjährige politische Haudegen „gebührend“verabschiedet werden, die nunmehrigen Altlandeshauptleute Erwin Pröll und Josef Pühringer. So weit, so unspektakulär.
Die politische Diskussion selbst gestaltete sich aber überaus spannend. Kurz zusammengefasst: Das Einhalten des regulären Termins für die nächste Nationalratswahl im Herbst 2018 wird immer unwahrscheinlicher. In der Sitzung des ÖVP-Bundesvorstands hat sich nämlich eine Mehrheit der Spitzen der kleineren Regierungspartei für ein Vorziehen dieses Urnengangs um ein Jahr auf den heurigen Herbst ausgesprochen. Dies konnte „Die Presse“in Erfahrung bringen.
Damit will die ÖVP der SPÖ zuvorkommen. Denn in der Partei Reinhold Mitterlehners geht die Angst um, dass Bundeskanzler/ SPÖ-Chef Christian Kern eine Nationalratswahl mit dem Datum Frühling 2018 anvisiert. Einen derartigen Termin wollen aber insbesondere die drei ÖVP-geführten Bundesländer Niederösterreich, Salzburg und Tirol mit aller Macht vermeiden. Da haben sich nämlich Johanna Mikl-Leitner (zum ersten Mal übrigens), Wilfried Halsauer und Günther Platter selbst den Wählern zu stellen.
Sie fürchten wohl nicht ohne Grund, bei einer Nationalratswahl durch die Spitzenkandidaten des Bundes überstrahlt zu werden. Auch thematisch würden Landesthemen von allgemein-politischen Debatten wohl deutlich überlagert werden. Besonders der Salzburger Wilfried Haslauer ist offenbar in der Sitzung als Wortführer eines Vorzie- hens der Nationalratswahl auf den heurigen Herbst aufgetreten. Er begründet dies mit der EU-Präsidentschaft, die Österreich turnusmäßig im zweiten Halbjahr 2018 übernehmen wird. Wenn das Land monatelang international in einem besonderen Rampenlicht steht, lässt sich dies mit einem Wahlkampf auch auf den zweiten Blick relativ schwer vereinbaren. Gänzlich unmöglich wäre es aber auch wieder nicht.
Das Szenario einer Nationalratswahl im Frühjahr 2018 könnte aber, wie die ÖVP-Spitzen jedenfalls annehmen, der SPÖ in die Hände spielen. Die Partei des Bundeskanzlers ist in den Bundesländern mit Ausnahme Kärntens, das auch im ersten Halbjahr 2018 wählt, zuletzt mäßig erfolgreich gewesen. Mit dem Rückenwind einer Bundeswahl könnten auch schwächelnde Landesorganisationen bessere Chancen haben. Im ÖVP-Bundesvorstand wurde auch die Befürchtung geäußert, Kern könnte öffentlich ein Zusammenlegen der vier regulär auf der Tagesordnung stehenden Landtagswahlen mit der Nationalratswahl vorschlagen und dies breitenwirksam mit dem Spargedanken argumentieren.
Zwei gewichtige Stimmen haben sich im Vorstand für ein Auslaufen-Lassen der Gesetzgebungsperiode ausgesprochen: die Landeshauptmänner Hermann Schützenhöfer aus der Steiermark und die erst kürzlich von Bundespräsident Alexander Van der Bellen angelobte neue Nummer eins in Oberösterreich, Thomas Stelzer.