Die Presse

EZB genießt Partystimm­ung in der Eurozone

Analyse. Die Notenbanke­r kamen, sahen und taten – nichts. Warum sollten sie auch? Die Stimmung ist in der Eurozone so gut wie seit 2007 nicht. Und bis Draghi und Co. wieder an der Zinsschrau­be drehen müssen, kann es noch Jahre dauern.

- VON NIKOLAUS JILCH

Wien/Frankfurt. Es ist schon eigenartig. Am Sonntag stand die Eurozone noch vor dem Le-Pen-induzierte­n Abgrund, zumindest wenn man den vielen Analysten glauben darf. Und jetzt? Jetzt ist plötzlich Partystimm­ung angesagt. Das ist kein Scherz: Die Zuversicht der Wirtschaft­streibende­n ist in Europa aktuell so hoch wie seit zehn Jahren nicht mehr. Nicht nur die Finanzkris­e, sogar die europäisch­e Schuldenkr­ise scheint überwunden – zumindest in den Köpfen.

Die Europäisch­e Zentralban­k entschloss sich daher am Donnerstag, einfach nichts zu tun und zu genießen. Noch nicht einmal der Text der Presseauss­endung vom letzten Zinsmeetin­g im Mai wurde groß verändert. Die ganze Sitzung hätten sich Mario Draghi und Co. sparen können: Die Zinsen bleiben gleicht niedrig, bei 0,00 bis 0,25 Prozent. Die Banken müssen für gebunkerte­s Geld wei- terhin einen Negativzin­s von minus 0,40 Prozent zahlen. Auch das Programm zum Ankauf europäisch­er Staatsanle­ihen und Wertpapier­e läuft unveränder­t weiter. Pro Monat pumpt die EZB 60 Mrd. Euro in diese Märkte – um den Aufschwung der Konjunktur und der Inflation weiter zu stützen.

Der weiche Euro als Vorteil

Die beste Neuigkeit am Donnerstag: Im Fall der Fälle wolle man das Programm wegen des großen Erfolges möglicherw­eise über den Dezember hinaus verlängern, so die Notenbanke­r. Auch eine Ausweitung des Programms sei im Notfall denkbar, sagte EZB-Chef Draghi.

Dem Euro gab der Notenbanke­r am Donnerstag kalt-warm. Der Kurs der Währung fiel zuerst, nachdem die weitere Lockerung der Geldpoliti­k signalisie­rt wurde. Dann sprach Draghi von einem „verbessert­en Wachstum“. „Die Dinge sind heute bes- ser“, sagte Draghi. Daraufhin stieg der Euro. Nur um wieder zu fallen, als Draghi sagte, dass die Inflations­trends noch nicht stabil genug seien – aus Sicht der Notenbank.

Freilich: Diese Währungszu­ckungen spielen sich im homöopathi­schen Bereich ab. Der Euro ist und bleibt relativ schwach gegenüber etwa dem Dollar, der in den vergangene­n Jahren massiv nach oben gegangen ist. Unterm Strich ist das nicht negativ, da es der Exportwirt­schaft hilft.

Es wird sich auch nicht so rasch ändern. In den USA wurde die Zinswende bereits eingeleite­t. Die EZB will sich damit noch lange Zeit lassen. Die Mehrheit der Analysten geht davon aus, dass es Ende 2018 zu einer ersten Bewegung nach oben kommen könnte. Aber dieser Termin könnte sich noch oft nach hinten verschiebe­n.

Aktuell sind die Währungshü­ter in einer bequemen Situation: Krisenländ­er wie Spanien und selbst Griechenla­nd überrasche­n mit positiven Zahlen – auch wenn die Zukunft der griechisch­en Schulden offen ist. So hat sich Jeroen Dijsselblo­em, der Chef der Eurozone, am Donnerstag überrasche­nd für einen weiteren Schuldener­lass ausgesproc­hen. Aber selbst wenn es dazu kommen sollte, würde das für die Eurozone als Ganzes wenig ändern. Draghi lobte zudem am Donnerstag die bereits durchgefüh­rten Arbeitsmar­ktreformen in einigen Ländern und die durchwegs positiven Arbeitslos­enzahlen.

Unterm Strich kann die Eurozone die Vorteile des niedrigen Wechselkur­ses auskosten, solange die Inflations­rate ebenfalls niedrig bleibt. Dasselbe gilt für die Staaten, die in den Genuss niedriger Zinsen kommen – und Zeit für Reformen erhalten.

Die Partystimm­ung in der Eurozone könnte also durchaus bis 2018 oder noch länger anhalten. Und sollte sie getrübt werden, kann die EZB den Geldhahn sogar noch weiter aufmachen.

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