EZB genießt Partystimmung in der Eurozone
Analyse. Die Notenbanker kamen, sahen und taten – nichts. Warum sollten sie auch? Die Stimmung ist in der Eurozone so gut wie seit 2007 nicht. Und bis Draghi und Co. wieder an der Zinsschraube drehen müssen, kann es noch Jahre dauern.
Wien/Frankfurt. Es ist schon eigenartig. Am Sonntag stand die Eurozone noch vor dem Le-Pen-induzierten Abgrund, zumindest wenn man den vielen Analysten glauben darf. Und jetzt? Jetzt ist plötzlich Partystimmung angesagt. Das ist kein Scherz: Die Zuversicht der Wirtschaftstreibenden ist in Europa aktuell so hoch wie seit zehn Jahren nicht mehr. Nicht nur die Finanzkrise, sogar die europäische Schuldenkrise scheint überwunden – zumindest in den Köpfen.
Die Europäische Zentralbank entschloss sich daher am Donnerstag, einfach nichts zu tun und zu genießen. Noch nicht einmal der Text der Presseaussendung vom letzten Zinsmeeting im Mai wurde groß verändert. Die ganze Sitzung hätten sich Mario Draghi und Co. sparen können: Die Zinsen bleiben gleicht niedrig, bei 0,00 bis 0,25 Prozent. Die Banken müssen für gebunkertes Geld wei- terhin einen Negativzins von minus 0,40 Prozent zahlen. Auch das Programm zum Ankauf europäischer Staatsanleihen und Wertpapiere läuft unverändert weiter. Pro Monat pumpt die EZB 60 Mrd. Euro in diese Märkte – um den Aufschwung der Konjunktur und der Inflation weiter zu stützen.
Der weiche Euro als Vorteil
Die beste Neuigkeit am Donnerstag: Im Fall der Fälle wolle man das Programm wegen des großen Erfolges möglicherweise über den Dezember hinaus verlängern, so die Notenbanker. Auch eine Ausweitung des Programms sei im Notfall denkbar, sagte EZB-Chef Draghi.
Dem Euro gab der Notenbanker am Donnerstag kalt-warm. Der Kurs der Währung fiel zuerst, nachdem die weitere Lockerung der Geldpolitik signalisiert wurde. Dann sprach Draghi von einem „verbesserten Wachstum“. „Die Dinge sind heute bes- ser“, sagte Draghi. Daraufhin stieg der Euro. Nur um wieder zu fallen, als Draghi sagte, dass die Inflationstrends noch nicht stabil genug seien – aus Sicht der Notenbank.
Freilich: Diese Währungszuckungen spielen sich im homöopathischen Bereich ab. Der Euro ist und bleibt relativ schwach gegenüber etwa dem Dollar, der in den vergangenen Jahren massiv nach oben gegangen ist. Unterm Strich ist das nicht negativ, da es der Exportwirtschaft hilft.
Es wird sich auch nicht so rasch ändern. In den USA wurde die Zinswende bereits eingeleitet. Die EZB will sich damit noch lange Zeit lassen. Die Mehrheit der Analysten geht davon aus, dass es Ende 2018 zu einer ersten Bewegung nach oben kommen könnte. Aber dieser Termin könnte sich noch oft nach hinten verschieben.
Aktuell sind die Währungshüter in einer bequemen Situation: Krisenländer wie Spanien und selbst Griechenland überraschen mit positiven Zahlen – auch wenn die Zukunft der griechischen Schulden offen ist. So hat sich Jeroen Dijsselbloem, der Chef der Eurozone, am Donnerstag überraschend für einen weiteren Schuldenerlass ausgesprochen. Aber selbst wenn es dazu kommen sollte, würde das für die Eurozone als Ganzes wenig ändern. Draghi lobte zudem am Donnerstag die bereits durchgeführten Arbeitsmarktreformen in einigen Ländern und die durchwegs positiven Arbeitslosenzahlen.
Unterm Strich kann die Eurozone die Vorteile des niedrigen Wechselkurses auskosten, solange die Inflationsrate ebenfalls niedrig bleibt. Dasselbe gilt für die Staaten, die in den Genuss niedriger Zinsen kommen – und Zeit für Reformen erhalten.
Die Partystimmung in der Eurozone könnte also durchaus bis 2018 oder noch länger anhalten. Und sollte sie getrübt werden, kann die EZB den Geldhahn sogar noch weiter aufmachen.