Urmenschen hinterließen DNA in Höhlenböden
Archäologie/Anthropologie. Die Analysen von Genen, die Zehntausende Jahre alt sind, sind fein genug geworden, um das Spurenlesen auch dort zu ermöglichen, wo keinerlei große Fossilien zur Verfügung stehen.
Wurde Amerika wirklich 100.000 Jahre früher von Menschen besiedelt als bisher gedacht? Die atemraubende Publikation in Nature (26. 4.) stützte sich auf 130.000 Jahre alte Knochen eines Mastodons, die Spuren der Bearbeitung mit Steinen zeigen, die Steine fanden sich auch. Aber von denen, die sie in der Hand gehabt haben sollen, fand sich nichts. Das hat naturgemäß Zweifel daran geweckt, ob die Knochen durch Menschen zu den Kratzern kamen oder nicht doch durch irgendein Ereignis der Natur.
Sehr laut sind die Bedenken nicht geworden, aber könnte man nicht irgendwie Klarheit schaffen? Ganz ohne fossile Menschenknochen? Man könnte: Menschen hinterlassen auch DNA, wenn sie etwa auf den Boden spucken oder ihr Wasser abschlagen. Und diese DNA kann an Mineralien binden und an organische Substanzen, dann kann sie lange halten, Zehntausende von Jahren, Hunderttausende gar.
Auf die Idee, das zu nutzen, ist Eske Willerslev (Kopenhagen) gekommen: Er analysierte erst Böden aus Zoos auf eDNA – das „e“steht für enviroment –, er fand Gene von Bewohnern, von Löwen etwa. 2003 erweiterte er auf aDNA – „a“wie ancient –, nun ana- lysierte er Sediment aus 400.000 Jahre altem sibirischen Permafrost, darin waren Gene von Mammuts und Wollnashörnern.
Und nun hat die Gruppe um Svänte Pääbo (Leipzig) das Verfahren auf Spuren von Menschen angewandt, die einst in Höhlen hausten. Das ging bisher nicht, weil man die alte DNA nicht von junger unterscheiden konnte, die etwa von den Forschern selbst stammt. Inzwischen hat man Marker gefunden, schwer genug ist die Suche doch, weil es in jedem Boden von DNA wimmelt, vor allem der von Bakterien, aber auch der von Tieren, Höhlenbären etc.
Denisova-Mensch lebte schon früher
Aber Pääbos Mitarbeiterin Viviane Slon hat auch dieses Problem gelöst und in Böden von sieben Höhlen nachgesehen, von denen man wusste, dass dort Urmenschen lebten. In vier wurde sie fündig, etwa in der im sibirischen Denisova: Dort lebte vor 40.000 Jahren der Denisova-Mensch – von ihm kennt man ein einziges Knöchlein, ein Fingerglied –, dort lebten zu anderen Zeiten auch Neandertaler, sie hinterließen mehr. Von beiden fand sich DNA im Höhlenboden, auch in sehr viel älteren Schichten, in denen sonst kein Erbe war. Ähnlich war es in einer Höhle, in der nur Werkzeuge auf Neandertaler als Bewohner deuteten, nun ist es durch ihre DNA belegt (Science 27. 4). Das öffnet völlig neue Perspektiven: Bisher kennt man von den Menschen von Denisova eben nur einen Knochen bzw. eine Höhle, nun kann man anderswo suchen. Natürlich auch nach anderen, unbekannten Urmenschen, die nicht einmal einen Fingerknochen hinterlassen haben. „DNA-Analyse von Sedimenten könnte ein Standardwerkzeug der Archäologie werden“, schließt Pääbo, „so ähnlich wie das Radiokarbon-Datieren.“