Wenn Schlepperbanden die „Flüchtlingshelfer“finanzieren
Aus dem moralischen Dilemma, illegale Migranten im Mittelmeer ertrinken zu lassen oder nach Europa zu schaffen, gibt es durchaus einen Ausweg.
Als Außenminister Sebastian Kurz vor gerade einmal vier Wochen forderte, den „NGO-Wahnsinn“vor der libyschen Küste zu stoppen, wurde ihm vor allem von der SPÖ prompt ein Hieb mit der Unmenschlichkeitskeule verpasst. Selbst Bundeskanzler Christian Kern hielt es für notwendig, Kurz zurechtzuweisen: „Wenn’s dann darum geht, Menschen aus dem Meer vor dem Ertrinken zu retten, dann geht das vor jeder politischen Überlegung.“
Mittlerweile fordert der gleiche Kanzler, Migranten aus Afrika nicht mehr in die EU, sondern in Lager am afrikanischen Kontinent zu verbringen – wohl eher weniger aus humanitären, denn aus genau solchen „politischen Überlegungen“. Und die italienische Justiz ermittelt neuerdings gegen ein Dutzend NGOs, bei denen der dringende Verdacht besteht, Helfershelfer der Schleppermafia zu sein. Also genau das, was Kurz im März als „NGO-Wahnsinn“zu Recht gebrandmarkt hat.
Wer die atemberaubend artistischen Wendemanöver vor allem der Sozialdemokratie in der Migrationsfrage einigermaßen aufmerksam verfolgt, kann nur zu einem Schluss kommen: Der wesentliche Unterschied zwischen unmenschlichem, kaltem Populismus auf dem Rücken der „Schutzerflehenden“und einer staatstragenden Position, die auf die Befindlichkeit der Bevölkerung eingeht, sind derzeit etwa vier bis sechs Wochen Zeitablauf.
Angesichts der jüngsten Erkenntnisse aus Italien und der nach wie vor viel zu hohen Zahlen der illegal übers Mittelmeer Einreisenden (heuer bereits um 39 Prozent mehr als 2016) wird vor allem die SPÖ noch weiteren Wendebedarf auf dem Meinungshochseil haben.
Denn dass weiterhin Hunderttausende mithilfe von NGOs, die nach Ansicht der italienischen Justiz möglicherweise zum Teil direkt von den Menschenhändlern auf dem afrikanischen Kontinent finanziert werden, in die EU kommen, ist völlig unhaltbar: „Wir haben Beweise dafür, dass es direkte Kontakte zwischen einigen NGOs und Schleppern in Libyen gibt“, sagte der sizilianische Oberstaats- anwalt Carmelo Zuccaro jüngst in der Tageszeitung „La Stampa“. Er vermutet, dass einige der NGOs nicht aus Spenden finanziert, sondern von den Schleppern für ihre Dienste entlohnt werden. Ein Verdacht, den auch die EU-Grenzschutzagentur Frontex bereits geäußert hat.
Es wird deshalb notwendig sein – was jetzt noch unter Unmenschenverdacht gestellt wird – den Transport der Migranten durch NGO-Schiffe von der libyschen Küste in die EU polizeilich zu unterbinden und Frontex-Schiffe wieder die maritime Südgrenze der EU bewachen zu lassen. Von der aus dann, sobald die Voraussetzungen dafür geschaffen sind, Migranten wieder nach Afrika zurückgebracht werden. Rettung aus selbst mitverschuldeter Seenot darf jedenfalls kein Ticket nach Europa sein.
Um dabei eine humanitäre Katastrophe zu vermeiden, wird zweierlei notwendig sein. Erstens: ein nahes Datum festzulegen, ab dem diese Form der Unterstützung der Menschenhändler durch NGOs rechtlich wie faktisch unterbunden wird und keine Schiffspassage von Libyen nach Norden mehr möglich sein wird.
Zweitens: In den Wochen vor diesem Zeitpunkt wird in ganz Nordafrika mit allen möglichen Kommunikationsmitteln – von sozialen Netzwerken bis hin zu aus der Luft abgeworfenen Flugzetteln – klar vermittelt werden müssen, dass niemand mehr vor der libyschen Küste direkt nach Europa verbracht werden wird. Wer trotzdem in See sticht, muss klar wissen, welches Risiko das bedeutet. Anders wird das Problem nicht zu lösen sein.
Es wäre unredlich zu bestreiten, dass es dabei vor allem am Anfang die Gefahr von Todesopfern geben wird. Nichts zu tun, außer den Schleppern bei ihrem Geschäft weiter behilflich zu sein, wird freilich wesentlich mehr Tote im Mittelmeer mit sich bringen, wie die vergangenen Monate deutlich gezeigt haben. Nach dem vernünftigen Prinzip der Verantwortungsethik ist das die schlechtere Lösung.