Feminismus in der Kunst
Mumok. Die erste Generation feministischer Künstlerinnen wurde marginalisiert. In den vergangenen Jahren bekam sie einen Namen („Feministische Avantgarde“), eine Sammlung (Verbund) und eine Wanderausstellung (endlich auch in Wien).
Endlich im Wiener Mumok: eine Wanderausstellung zur Feministischen Avantgarde.
Es klingt wie ein Märchen: Eine junge Kuratorin bekam die Möglichkeit, eine Firmensammlung aufzubauen. Was tut man in der Regel? Große Namen, junge Stars, querbeet zumeist, lokal und international, repräsentativ, also Malerei und Skulptur. Vor 13 Jahren bekam die Wiener Kunsthistorikerin Gabriele Schor diese Möglichkeit beim österreichischen Energiekonzern Verbund. Sie entschied sich für ganz etwas anderes, sie hatte, ja, eine Mission, und fand überraschenderweise die volle Unterstützung des (männlichen) Vorstands: Sie wollte Kunst von Frauen sammeln. Kunst von Frauen aus den 1970er-Jahren. Unbequeme Kunst von Inhalt und Technik her, meist schwarz-weiße Fotografie und körnige Videos, auf denen man wenig „Schönes“sah, dafür Frauen, die ihre Körper malträtierten, die mit Dildos und Brüsten, Latex und Schnüren, Kostümen und Make-up hantierten.
Jeder checkte: Das ist Kritik. Hier wird vorgeführt, was die von männlichen Bedürfnissen gesteuerte Gesellschaft unter Frausein im Allgemeinen so verstand. Birgit Jürgenssen tat das, indem sie ihren Körper in die Buchstaben einschreibt, sich zur „Frau“verrenkt. Nil Yalter tat das, indem sie die türkische Küche auf sexistische Gerichte durchsuchte. Renate Bertlmann tut das in einer jetzt erstmals verwirklichten Installation, in der man vor dem „Heiligen Erectus“niederknien muss, beten muss, dass er sich wandelt in den „Eros“. Ulrike Rosenbach tat das, indem sie sich mit Mullbinde ihre Tochter um den Bauch band. Kinder, Kirche, Küche. Gegen diese Einschränkungen und Erwartungen in den Köpfen der anderen und der eigenen lief die 68er-Generation Sturm. Bis auf den Tausch von Kirche gegen Karriere tun Feministinnen das bis heute.
Drastische Urbilder des Feminismus
Diese Künstlerinnen lieferten die ersten drastischen Urbilder zu dem, was sich in den Köpfen und auf den Podien damals abspielte – Fotos und Videos von flüchtigen Performances sind es, keine Malerei, das war fast eine politische Ansage gegen den männlichen Geniekult (das ist ein Kritikpunkt, den man anbringen muss: dass feministische Malerinnen hier nicht vorkommen). Für die sorgte der Kunstmarkt noch eher, für Fotos und Videos aber gab es damals praktisch keinen. Also null (männliche) Nachfrage. Also verlief sich die Kunst in den Leben dieser Frauen manchmal einfach.
Es sind Geschichten wie die vom Besuch Gabriele Schors bei Renate Eisenegger, die für die Karrieren vieler dieser Künstlerinnen stehen: Eisenegger hatte ihre Arbeiten seit Jahrzehnten auf dem Dachboden verstaut. Sie konnte das Interesse daran gar nicht fassen. Schon gar nicht den Ankauf. „Sind Sie sicher?“, fragte sie Schor. Das war sie. Jetzt hängt u. a. die wunderbare Fotoserie „Isolation“in der Ausstellung, bei der sich Eisenegger 1972 Schritt für Schritt das Gesicht mit Pflastern verklebte, am Ende in einer Pose von Trauer und Schrecken verharrt, die Hände festbandagiert vor das Gesicht geschlagen.
In 13 Jahren hat Schor so für den Verbund wohl die günstigste und kunsthistorisch geglückteste Firmensammlung aufgebaut, die man sich als Auftraggeber nur wünschen kann. Eine Win-win-Situation, wie es scheint; „es kam mir vor, als hebe ich einen Schatz“, beschreibt Schor ihre Arbeit bei der Pressekonferenz zur Ausstellung „Woman. Feministische Avantgarde“, die ab heute im Wiener Mumok auf zwei Geschoßen zu sehen ist. Eine Ausstellung mit rund 300 Arbeiten von rund 50 Künstlerinnen, darunter acht Österreicherinnen, die mittlerweile schon Geschichte schrieb. Seit 2010 tourt sie durch Europa, schaffte es tatsächlich, den Begriff für diese feministische Kunst der 1970er-Jahre zu etablieren, führte zu Ankäufen von Museen wie Tate, MoMA oder Pompidou, bescherte vielen erste englischsprachige Publikationen und vielleicht erstmals in ihrem Künstlerleben internationale Aufmerksamkeit.
Wr. Aktionismus als Basis, Reibebaum
Natürlich gibt es Ausnahmen, hatten Künstlerinnen wie Valie Export, Martha Rosler und Cindy Sherman große Karrieren, auch auf dem Kunstmarkt. Aber die Begriffsfindung gab Gewicht und öffnete den Blick – es gab viel mehr dieser Pionierinnen, auf denen die Performance-Kunst bis heute basiert, im derzeit bei den Jungen so boomenden Genderund Queer-Bereich. Es waren allerdings die Männer, der in tatsächlich präfeministischen Zeiten Anfang der 1960er-Jahre entstandene Wiener Aktionismus, die mit diesen Themen begannen, die viele Wege öffneten. Aber es waren die Künstlerinnen der 1970er-Jahre, die die Körper-Performance erobert haben, die Kontrolle über ihre Körper, die Regie des Blicks auf ihn schließlich selbst übernahmen.
Zwei Bilder stehen gleich am Beginn der Ausstellung für diese Übernahme, beide Male wurde dafür das Personal des „Letzten Abendmahls“empfindlich verändert: Neu besetzt mit amerikanischen Künstlerinnen bei Mary Beth Edelson (1972), mit österreichischen Künstlerinnen und deren Kindern bei Margot Pilz (1979).
Ein Happy End? Das ist zu feiern, wenn die jeweils einzelnen Künstlerinnen dieser Gruppenschau auch allein die Geschoße der Mumoks dieser Welt bespielen. Begonnen hat das Happy Ending zumindest.