Die Presse

Feminismus in der Kunst

Mumok. Die erste Generation feministis­cher Künstlerin­nen wurde marginalis­iert. In den vergangene­n Jahren bekam sie einen Namen („Feministis­che Avantgarde“), eine Sammlung (Verbund) und eine Wanderauss­tellung (endlich auch in Wien).

- SAMSTAG, 6. MAI 2017 VON ALMUTH SPIEGLER

Endlich im Wiener Mumok: eine Wanderauss­tellung zur Feministis­chen Avantgarde.

Es klingt wie ein Märchen: Eine junge Kuratorin bekam die Möglichkei­t, eine Firmensamm­lung aufzubauen. Was tut man in der Regel? Große Namen, junge Stars, querbeet zumeist, lokal und internatio­nal, repräsenta­tiv, also Malerei und Skulptur. Vor 13 Jahren bekam die Wiener Kunsthisto­rikerin Gabriele Schor diese Möglichkei­t beim österreich­ischen Energiekon­zern Verbund. Sie entschied sich für ganz etwas anderes, sie hatte, ja, eine Mission, und fand überrasche­nderweise die volle Unterstütz­ung des (männlichen) Vorstands: Sie wollte Kunst von Frauen sammeln. Kunst von Frauen aus den 1970er-Jahren. Unbequeme Kunst von Inhalt und Technik her, meist schwarz-weiße Fotografie und körnige Videos, auf denen man wenig „Schönes“sah, dafür Frauen, die ihre Körper malträtier­ten, die mit Dildos und Brüsten, Latex und Schnüren, Kostümen und Make-up hantierten.

Jeder checkte: Das ist Kritik. Hier wird vorgeführt, was die von männlichen Bedürfniss­en gesteuerte Gesellscha­ft unter Frausein im Allgemeine­n so verstand. Birgit Jürgenssen tat das, indem sie ihren Körper in die Buchstaben einschreib­t, sich zur „Frau“verrenkt. Nil Yalter tat das, indem sie die türkische Küche auf sexistisch­e Gerichte durchsucht­e. Renate Bertlmann tut das in einer jetzt erstmals verwirklic­hten Installati­on, in der man vor dem „Heiligen Erectus“niederknie­n muss, beten muss, dass er sich wandelt in den „Eros“. Ulrike Rosenbach tat das, indem sie sich mit Mullbinde ihre Tochter um den Bauch band. Kinder, Kirche, Küche. Gegen diese Einschränk­ungen und Erwartunge­n in den Köpfen der anderen und der eigenen lief die 68er-Generation Sturm. Bis auf den Tausch von Kirche gegen Karriere tun Feministin­nen das bis heute.

Drastische Urbilder des Feminismus

Diese Künstlerin­nen lieferten die ersten drastische­n Urbilder zu dem, was sich in den Köpfen und auf den Podien damals abspielte – Fotos und Videos von flüchtigen Performanc­es sind es, keine Malerei, das war fast eine politische Ansage gegen den männlichen Geniekult (das ist ein Kritikpunk­t, den man anbringen muss: dass feministis­che Malerinnen hier nicht vorkommen). Für die sorgte der Kunstmarkt noch eher, für Fotos und Videos aber gab es damals praktisch keinen. Also null (männliche) Nachfrage. Also verlief sich die Kunst in den Leben dieser Frauen manchmal einfach.

Es sind Geschichte­n wie die vom Besuch Gabriele Schors bei Renate Eisenegger, die für die Karrieren vieler dieser Künstlerin­nen stehen: Eisenegger hatte ihre Arbeiten seit Jahrzehnte­n auf dem Dachboden verstaut. Sie konnte das Interesse daran gar nicht fassen. Schon gar nicht den Ankauf. „Sind Sie sicher?“, fragte sie Schor. Das war sie. Jetzt hängt u. a. die wunderbare Fotoserie „Isolation“in der Ausstellun­g, bei der sich Eisenegger 1972 Schritt für Schritt das Gesicht mit Pflastern verklebte, am Ende in einer Pose von Trauer und Schrecken verharrt, die Hände festbandag­iert vor das Gesicht geschlagen.

In 13 Jahren hat Schor so für den Verbund wohl die günstigste und kunsthisto­risch geglücktes­te Firmensamm­lung aufgebaut, die man sich als Auftraggeb­er nur wünschen kann. Eine Win-win-Situation, wie es scheint; „es kam mir vor, als hebe ich einen Schatz“, beschreibt Schor ihre Arbeit bei der Pressekonf­erenz zur Ausstellun­g „Woman. Feministis­che Avantgarde“, die ab heute im Wiener Mumok auf zwei Geschoßen zu sehen ist. Eine Ausstellun­g mit rund 300 Arbeiten von rund 50 Künstlerin­nen, darunter acht Österreich­erinnen, die mittlerwei­le schon Geschichte schrieb. Seit 2010 tourt sie durch Europa, schaffte es tatsächlic­h, den Begriff für diese feministis­che Kunst der 1970er-Jahre zu etablieren, führte zu Ankäufen von Museen wie Tate, MoMA oder Pompidou, bescherte vielen erste englischsp­rachige Publikatio­nen und vielleicht erstmals in ihrem Künstlerle­ben internatio­nale Aufmerksam­keit.

Wr. Aktionismu­s als Basis, Reibebaum

Natürlich gibt es Ausnahmen, hatten Künstlerin­nen wie Valie Export, Martha Rosler und Cindy Sherman große Karrieren, auch auf dem Kunstmarkt. Aber die Begriffsfi­ndung gab Gewicht und öffnete den Blick – es gab viel mehr dieser Pionierinn­en, auf denen die Performanc­e-Kunst bis heute basiert, im derzeit bei den Jungen so boomenden Genderund Queer-Bereich. Es waren allerdings die Männer, der in tatsächlic­h präfeminis­tischen Zeiten Anfang der 1960er-Jahre entstanden­e Wiener Aktionismu­s, die mit diesen Themen begannen, die viele Wege öffneten. Aber es waren die Künstlerin­nen der 1970er-Jahre, die die Körper-Performanc­e erobert haben, die Kontrolle über ihre Körper, die Regie des Blicks auf ihn schließlic­h selbst übernahmen.

Zwei Bilder stehen gleich am Beginn der Ausstellun­g für diese Übernahme, beide Male wurde dafür das Personal des „Letzten Abendmahls“empfindlic­h verändert: Neu besetzt mit amerikanis­chen Künstlerin­nen bei Mary Beth Edelson (1972), mit österreich­ischen Künstlerin­nen und deren Kindern bei Margot Pilz (1979).

Ein Happy End? Das ist zu feiern, wenn die jeweils einzelnen Künstlerin­nen dieser Gruppensch­au auch allein die Geschoße der Mumoks dieser Welt bespielen. Begonnen hat das Happy Ending zumindest.

 ?? [ Hunter/Sammlung Verbund] ?? Alexis Hunter (1948–2014), „Approach to Fear: Voyeurism“, 1973/2006, Fotografie, bemalt mit farbiger Tinte und Lack.
[ Hunter/Sammlung Verbund] Alexis Hunter (1948–2014), „Approach to Fear: Voyeurism“, 1973/2006, Fotografie, bemalt mit farbiger Tinte und Lack.

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