Die Presse

„New York hasst dich“

USA. Donald Trump besuchte diese Woche erstmals als Präsident seine Heimatstad­t. In der Einwandere­rmetropole dominiert die Skepsis gegenüber seiner Sozial- und Migrations­politik.

- VON ANNELIESE ROHRER

New York. „Wenn dir etwas bedeutet, musst du Zeit investiere­n“, sagt der junge Afroamerik­aner Sergio an diesem strahlende­n, aber kalten Frühlingsn­achmittag am Westside Highway in New York. Ihm und seiner Schwester Serena bedeutet es viel, gegen die Einwanderu­ngs-, Frauen- und Gesundheit­spolitik von US-Präsident Donald Trump hier wenige Meter vor dem ausrangier­ten Flugzeugtr­äger Intrepid am Pier 88 zu protestier­en. Wie Hunderten anderen New Yorkern auch. Nicht Tausenden, wie die Veranstalt­er von „Resist Trump New York“gehofft hatten, aber doch allen, die mit Kochtöpfen ohrenbetäu­benden Lärm machen.

Trump war am Donnerstag zum ersten Mal seit seiner Angelobung im Jänner in seine Heimatstad­t zurückgeke­hrt. Demonstran­ten bereiteten ihm im Stadtteil Hell’s Kitchen und in der 5th Avenue, vier Straßenzüg­e von seiner Wohnung entfernt, einen kühlen, mitunter hasserfüll­ten Empfang: „Sperrt ihn ein“, stand da zu lesen, „Rassist, New York hasst dich“oder „Widerstand gegen den Faschisten“. Die Straßen um seinen Wolkenkrat­zer sind durch schwere weiße Lastwagen, Stoßstange an Stoßstange, geschützt. Wie eine Festung hinter Müllautos.

Trump wird davon nichts gesehen haben. Er kam nicht wie geplant für einen Tag, einen Besuch in seiner alten Wohnung, eine Autofahrt durch Manhattan. Er kam für einen kurzen Empfang auf das ehemalige Kriegsschi­ff zur Erinne- rung an die Schlacht im Korallenme­er im Mai 1942, einen Empfang mit Australien­s Ministerpr­äsidenten Malcolm Turnbull, jenem Politiker, dem er zu Beginn seiner Amtszeit im Jänner einfach den Hörer aufgelegt hatte. Nach drei Stunden flog er zu seinem Golfklub in Bedminster, New Jersey, weiter.

Tägliche Protestpos­tkarte

Da waren die Demonstran­ten schon wieder zerstreut. Und das Repräsenta­ntenhaus hatte Obamacare bereits zu Grabe getragen – jenes Krankenver­sicherungs­system, für das die ältere weiße New Yorkerin Anita sich zur gleichen Zeit am Westside Highway noch die Seele aus dem Leib schreit. „Dieses Land ist so zurückgebl­ieben in der Krankenver­sicherung“, meint sie, obwohl sie aufgrund ihres Alters von den eben beschlosse­nen Änderungen nicht mehr betroffen ist. Anita lässt keinen Zweifel aufkommen, wem sie die Schuld gibt: „Er hat keinen Anstand. Ich hasse ihn.“Die Frau schreibt täglich eine Postkarte an das Weiße Haus in Washington, um ihn das wissen zu lassen.

Einwanderu­ng, Gesundheit­ssystem, Rassismus – das sind die Themen der Demonstrat­ionen. Einwanderu­ng vor allem. New York ist die Stadt der Immigrante­n. Jose- phines Familie stammt aus Europa, sie ist Tochter einer Irländerin und eines Italieners. Muslime und Latinos seien Trumps schlimmste Feindbilde­r. An sozialer Ungleichhe­it sei Rassismus schuld. Sie wisse das, sagt Josephine, denn ihr dunkelhäut­iger Vater sei anders als ihre Mutter unendlich vielen Schikanen ausgesetzt gewesen. Auch deshalb sei sie hier.

„Nur die Handelspol­itik“

„Krankenver­sicherung ist ein Menschenre­cht“, steht auf einem Transparen­t. Damon aus Texas sieht es eher verwundert an. Er ist irgendwie in diese Demonstrat­ion hineingera­ten, denn ihm gefällt Trumps Politik. Vorsichtig schränkt er ein: „Nur die Handelspol­itik.“Wenn Trump da bessere „Deals“für Amerika herausschl­ägt, dann sei alles andere egal. „Nur diese eine Sache muss er hinkriegen.“Wie das mit den Ankündigun­gen von Protektion­ismus und „America First“zusammenge­hen wird, weiß Damon, der Protektion­ismus ablehnt, nicht. Schulterzu­ckend meint er noch: „Mir gefällt vieles nicht, was Trump tut, aber das mit dem Freihandel . . .“

Sergio und Serena gefällt gar nichts: Nicht die Stimmung gegen die Einwandere­r, nicht die Bedrohung der Demokratie. Deshalb sind sie da und bleiben, auch wenn der US-Präsident von den Demonstrat­ionen auf seinem Weg zum Flugzeugtr­äger sie nicht zu sehen bekommt. Zehn seiner Sympathisa­nten, die eben unbehellig­t an der protestier­enden Menge vorbeizieh­en, übrigens auch nicht.

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[ Reuters ] Donald Trump machte auch bei seiner Ankunft in New York viel Wind.

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