In der Partei gibt es eine eindeutige Tendenz zur SPÖ: Wie die freiheitliche Spitze ihre Verbindungen nützt, um Kanzler Kern von einem rot-blauen Bündnis zu überzeugen. Lieber Rot als Schwarz
FPÖ.
Wien. Das erste Treffen fand im Juli 2016 im Kanzleramt statt. Christian Kern empfing FPÖ-Chef HeinzChristian Strache, Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer und die Protagonisten des rot-blauen Feldversuchs im Burgenland, also Landeshauptmann Hans Niessl, seinen Stellvertreter Hans Tschürtz und FPÖ-Landesrat Alexander Petschnig. Hinterher versicherten alle Teilnehmer, dass es ums Kennenlernen gegangen sei, aber nicht um Koalitionsvorarbeiten.
In den Monaten danach wurde dieses Speeddating ein paar Mal wiederholt, allerdings ohne Kanzler, dafür mit dem Chefstrategen der FPÖ, Generalsekretär Herbert Kickl. Bekannt gemacht wurden beide Seiten vom Burgenländer Norbert Hofer, der mit Niessl seit den gemeinsamen Tagen im Landtag von Eisenstadt gut kann. Zuletzt traf sich die Runde im Raum Eisenstadt, beim Heurigen, wie man hört. Und mittlerweile geht es nicht mehr nur ums Kennenlernen, sondern bereits um mehr.
Die Annäherungsversuche gehen von der FPÖ aus. Sie setzt dabei auf ihre Burgenland-Connection, die ihrerseits beim Kanzler für ein rot-blaues Bündnis nach der Nationalratswahl lobbyiert. Wie sagte Hans Niessl am Karfreitag? „Wir haben gezeigt, dass gute Arbeit mit der FPÖ möglich ist.“
Strache traut Kurz nicht
Bei den Freiheitlichen gibt es mittlerweile eine klare Tendenz zu RotBlau, insbesondere in der Parteiführung. Das hat zum einen mit dem ÖVP-Obmann in spe, Sebastian Kurz, zu tun, dem Strache, Hofer und Kickl nicht über den Weg trauen. Und zum anderen mit schlechten Erfahrungen.
„Es gibt Elementarereignisse in der freiheitlichen Geschichte, die man nicht ganz wegwischen kann“, gestand Kickl vor Kurzem der Austria Presseagentur. Gemeint war die schwarz-blaue Regierung unter Wolfgang Schüssel in den Jahren 2000 bis 2006 und die daraus folgende Beinaheselbstzerstörung der FPÖ. In der Endphase, meinte Kickl, habe die ÖVP versucht, den Koalitionspartner „umzubringen“.
Ausschließen wollte er eine Neuauflage von Schwarz-Blau zwar nicht, weil die Personen heute andere seien und es inhaltlich „durchaus Gemeinsames“gebe. Aber außerhalb der wirtschaftsaffinen Landespartei in Oberösterreich, die seit eineinhalb Jahren mit der ÖVP regiert, ist die Vorentscheidung zugunsten der SPÖ gefallen, unabhängig davon, ob die FPÖ am Wahlabend vor oder hinter den Sozialdemokraten liegt.
„Sie kümmern sich um uns“, heißt es in der FPÖ. Im Gegensatz zur ÖVP nämlich. Und dann wäre da noch ein Hintergedanke: Durch Kern könnte die FPÖ dauerhaft salonfähig werden. Hat Alexander Van der Bellen Rot-Blau erst einmal widerstandlos angelobt, wäre das ein Präzedenzfall für die nachfolgenden Bundespräsidenten.
Ludwig schaut ins Burgenland
Bleibt die Frage, ob der Bundeskanzler mitspielt. Wenn, dann wohl erst nach der Wahl. Strategisch hätte eine Öffnung gegenüber den Freiheitlichen den Vorteil, dass sich
im Burgenland wurde im Juli 2015 angelobt. In Oberösterreich ist die FPÖ seit Oktober 2015 in einer Koalition mit der ÖVP. Zwischen diesen beiden Feldversuchen spielt sich die Debatte bei den Freiheitlichen ab: Mit wem soll man nach der nächsten Nationalratswahl koalieren? Mittlerweile sind die Rot-BlauBefürworter in der Mehrheit. Vor allem die Parteiführung tendiert zur SPÖ. eine neue Machtoption ergäbe. Die SPÖ wäre nicht mehr länger von der ungeliebten ÖVP abhängig (alle anderen Koalitionsvarianten sind aus heutiger Sicht unrealistisch).
Grundsätzlich braucht Kern zwei Dinge für Rot-Blau: einen Wahlsieg, sonst stellt sich die Koalitionsfrage für ihn nicht mehr. Und einen Parteibeschluss, der die Koalitionskriterien definiert. Daran arbeitet die SPÖ gerade. Nur damit könnte der Kanzler eine Verbindung mit den Rechtspopulisten vor dem linken Flügel rechtfertigen.
Wie sehr die SPÖ in dieser elementaren Frage gespalten ist, zeigt sich gerade in Wien, wo es vordergründig um die Nachfolge von Bürgermeister Michael Häupl geht, im Wesentlichen aber um eine Richtungsentscheidung. Die Flächenbezirke haben nicht ganz zufällig gute Kontakte ins Burgenland. Vizebürgermeister Michael Ludwig soll mittlerweile eine freundschaftliche Beziehung zu Hans Niessl pflegen.