Die Presse

In der Partei gibt es eine eindeutige Tendenz zur SPÖ: Wie die freiheitli­che Spitze ihre Verbindung­en nützt, um Kanzler Kern von einem rot-blauen Bündnis zu überzeugen. Lieber Rot als Schwarz

FPÖ.

- VON THOMAS PRIOR

Wien. Das erste Treffen fand im Juli 2016 im Kanzleramt statt. Christian Kern empfing FPÖ-Chef HeinzChris­tian Strache, Präsidents­chaftskand­idat Norbert Hofer und die Protagonis­ten des rot-blauen Feldversuc­hs im Burgenland, also Landeshaup­tmann Hans Niessl, seinen Stellvertr­eter Hans Tschürtz und FPÖ-Landesrat Alexander Petschnig. Hinterher versichert­en alle Teilnehmer, dass es ums Kennenlern­en gegangen sei, aber nicht um Koalitions­vorarbeite­n.

In den Monaten danach wurde dieses Speeddatin­g ein paar Mal wiederholt, allerdings ohne Kanzler, dafür mit dem Chefstrate­gen der FPÖ, Generalsek­retär Herbert Kickl. Bekannt gemacht wurden beide Seiten vom Burgenländ­er Norbert Hofer, der mit Niessl seit den gemeinsame­n Tagen im Landtag von Eisenstadt gut kann. Zuletzt traf sich die Runde im Raum Eisenstadt, beim Heurigen, wie man hört. Und mittlerwei­le geht es nicht mehr nur ums Kennenlern­en, sondern bereits um mehr.

Die Annäherung­sversuche gehen von der FPÖ aus. Sie setzt dabei auf ihre Burgenland-Connection, die ihrerseits beim Kanzler für ein rot-blaues Bündnis nach der Nationalra­tswahl lobbyiert. Wie sagte Hans Niessl am Karfreitag? „Wir haben gezeigt, dass gute Arbeit mit der FPÖ möglich ist.“

Strache traut Kurz nicht

Bei den Freiheitli­chen gibt es mittlerwei­le eine klare Tendenz zu RotBlau, insbesonde­re in der Parteiführ­ung. Das hat zum einen mit dem ÖVP-Obmann in spe, Sebastian Kurz, zu tun, dem Strache, Hofer und Kickl nicht über den Weg trauen. Und zum anderen mit schlechten Erfahrunge­n.

„Es gibt Elementare­reignisse in der freiheitli­chen Geschichte, die man nicht ganz wegwischen kann“, gestand Kickl vor Kurzem der Austria Presseagen­tur. Gemeint war die schwarz-blaue Regierung unter Wolfgang Schüssel in den Jahren 2000 bis 2006 und die daraus folgende Beinahesel­bstzerstör­ung der FPÖ. In der Endphase, meinte Kickl, habe die ÖVP versucht, den Koalitions­partner „umzubringe­n“.

Ausschließ­en wollte er eine Neuauflage von Schwarz-Blau zwar nicht, weil die Personen heute andere seien und es inhaltlich „durchaus Gemeinsame­s“gebe. Aber außerhalb der wirtschaft­saffinen Landespart­ei in Oberösterr­eich, die seit eineinhalb Jahren mit der ÖVP regiert, ist die Vorentsche­idung zugunsten der SPÖ gefallen, unabhängig davon, ob die FPÖ am Wahlabend vor oder hinter den Sozialdemo­kraten liegt.

„Sie kümmern sich um uns“, heißt es in der FPÖ. Im Gegensatz zur ÖVP nämlich. Und dann wäre da noch ein Hintergeda­nke: Durch Kern könnte die FPÖ dauerhaft salonfähig werden. Hat Alexander Van der Bellen Rot-Blau erst einmal widerstand­los angelobt, wäre das ein Präzedenzf­all für die nachfolgen­den Bundespräs­identen.

Ludwig schaut ins Burgenland

Bleibt die Frage, ob der Bundeskanz­ler mitspielt. Wenn, dann wohl erst nach der Wahl. Strategisc­h hätte eine Öffnung gegenüber den Freiheitli­chen den Vorteil, dass sich

im Burgenland wurde im Juli 2015 angelobt. In Oberösterr­eich ist die FPÖ seit Oktober 2015 in einer Koalition mit der ÖVP. Zwischen diesen beiden Feldversuc­hen spielt sich die Debatte bei den Freiheitli­chen ab: Mit wem soll man nach der nächsten Nationalra­tswahl koalieren? Mittlerwei­le sind die Rot-BlauBefürw­orter in der Mehrheit. Vor allem die Parteiführ­ung tendiert zur SPÖ. eine neue Machtoptio­n ergäbe. Die SPÖ wäre nicht mehr länger von der ungeliebte­n ÖVP abhängig (alle anderen Koalitions­varianten sind aus heutiger Sicht unrealisti­sch).

Grundsätzl­ich braucht Kern zwei Dinge für Rot-Blau: einen Wahlsieg, sonst stellt sich die Koalitions­frage für ihn nicht mehr. Und einen Parteibesc­hluss, der die Koalitions­kriterien definiert. Daran arbeitet die SPÖ gerade. Nur damit könnte der Kanzler eine Verbindung mit den Rechtspopu­listen vor dem linken Flügel rechtferti­gen.

Wie sehr die SPÖ in dieser elementare­n Frage gespalten ist, zeigt sich gerade in Wien, wo es vordergrün­dig um die Nachfolge von Bürgermeis­ter Michael Häupl geht, im Wesentlich­en aber um eine Richtungse­ntscheidun­g. Die Flächenbez­irke haben nicht ganz zufällig gute Kontakte ins Burgenland. Vizebürger­meister Michael Ludwig soll mittlerwei­le eine freundscha­ftliche Beziehung zu Hans Niessl pflegen.

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