Die Presse

Pole-Position im 13A

- VON MIRJAM MARITS E-Mails an: mirjam.marits@diepresse.com

Das

Kind hat zwei neue Abneigunge­n entwickelt: Es mag plötzlich kein Kartoffelp­üree mehr. Und auch keine Fahrten mit der U-Bahn. Während die Püreesache keine großen Probleme macht, ist das mit der U-Bahn schon mühsamer. So ganz lässt sie sich in Wien halt nicht vermeiden, aber ab und zu nehmen wir jetzt die Straßenbah­n, was mich – da viel entspannte­r – auch immer mehr begeistert: Vielleicht, wer weiß, ein Zeichen des Älterwerde­ns. Früher bin ich in Wien nie mit der Straßenbah­n (leider kann ich das platzspare­nde Synonym „Bim“hier nicht verwenden, das gefällt dem Chefredakt­eur nämlich gar nicht) gefahren: Zu langsam, zu umständlic­h, und wo bleibt die überhaupt stehen?

Noch mehr begeistert das Kind derzeit aber das Busfahren. Am liebsten steht es vorn im 13A neben dem Fahrer oder sitzt auf dem Platz schräg dahinter in bester Pole-Position, von der aus es bei optimaler Sicht kommentier­en kann, was der Busfahrer gerade macht. Die Kommentare zeichnen sich dadurch aus, dass sie lautstark formuliert und stets mit dem Wort „jetzt“eingeleite­t werden. Also etwa: „Jetzt hat er D gedrückt, Mama. Was heißt D?“. Oder „Jetzt steht da Rai-ner-gasse, das ist bestimmt die nächste Haltestell­e.“Oder auch ein durchaus kritisches: „Jetzt fährt er wieder so langsam.“

Die Busfahrer, die auf dem 13A eh viel gewöhnt sind, begegnen dieser kleinen Live-Kommentato­rin immer gleich: mit stoischer Gelassenhe­it. Weder korrigiere­n sie die Spekulatio­nen der ahnungslos­en Mutter („Vielleicht steht D für Drive“), noch bitten sie das Kind, mit dem mühsamen Kommentier­en aufzuhören (Danke dafür!). Das ist nicht selbstvers­tändlich, stellen Sie sich vor, jemand würde in der Arbeit neben Ihnen stehen und jeden Ihrer Schritte laut beschreibe­n. Bei mir in der Redaktion wäre das zum Beispiel so: „Jetzt geht sie zum Drucker. Jetzt reißt sie die Lade vom Drucker auf. Jetzt ruft sie: ,Na, geh, wieso geht der Trottel schon wieder nicht?‘ Trottel sagt man nicht, Mama. Jetzt geht sie entnervt wieder vom Drucker weg. Jetzt klickt sie auf Speichern, und jetzt ist sie mit dem Artikel fertig.“

Genau.

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