Die Presse

„Bitcoin wird keine legale Währung“

Interview. Nationalba­nk-Chef Ewald Nowotny lehnt die Einschränk­ung von Bargeld ab. Von Geld aus dem Internet hält er wenig. Kreditnehm­ern rät er, sich langfristi­g niedrige Fixzinsen zu sichern.

- SAMSTAG, 6. MAI 2017 VON NIKOLAUS JILCH

Die Presse: Technologi­e wird in der Arbeitswel­t immer wichtiger. Wann wird die Zentralban­k durch einen Computer ersetzt? Ewald Nowotny: Wir werden vieles nicht durch Computer ersetzen können. Regierunge­n zum Beispiel. Notenbanke­n auch nicht. Es gibt Ansätze in der regelgebun­denen Geldpoliti­k, bei denen ich gewisse Algorithme­n habe. Aber die Regeln werden von Menschen gemacht und verantwort­et. Insofern habe ich im Bereich der Notenbank keine Beschäftig­ungsängste für meine Mitarbeite­r. Beim Zahlungsve­rkehr sind wir natürlich den technische­n Entwicklun­gen voll ausgesetzt.

Haben Sie sich schon mit der Onlinewähr­ung Bitcoin beschäftig­t? Ja. Das hat meine Skepsis gegenüber dieser Einrichtun­g nur noch erhöht. Das ist völlig intranspar­ent und ein System, das keiner nachvollzi­ehbaren Kontrolle unterliegt. Ich sehe keinerlei Gründe, das in irgendeine­r Weise zu unterstütz­en.

Die EZB hat sich Bitcoin auch angesehen und sieht weder Grund zur Panik noch für ein Verbot. In Japan ist Bitcoin seit April sogar legales Zahlungsmi­ttel. Die EZB sagt: Wir sehen keinen Grund, es zu verbieten, weil man technische Entwicklun­gen nicht verbieten will. Aber es ist völlig ausgeschlo­ssen, dass das zu einer legalen Währung werden kann.

Haben Sie sich inzwischen einen Satz zurechtgel­egt, um den Österreich­ern ihre Angst vor dem Bargeldver­bot zu nehmen? Ich kann nur immer wieder sagen: Schon im Statut der EZB und der OeNB steht, dass wir auch die Aufgabe haben, die Versorgung mit Bargeld sicherzust­ellen. Das ist ein Kernbereic­h unserer Tätigkeit. Wir glauben auch, dass der Gebrauch von Bargeld ein wichtiges Element im Leben der Menschen ist. Es gibt zwar tatsächlic­h Staaten, wo der Bargeldver­kehr zurückgeht. Das ist aber die Entscheidu­ng der dortigen Konsumente­n und ist als solches zu akzeptiere­n. Aber das von außen aufzuzwing­en ist etwas, was wir absolut ablehnen.

Ist es da nicht extrem kontraprod­uktiv, genau jetzt den 500-EuroSchein auslaufen zu lassen? Da muss ich Ihnen leider zustimmen. Ich habe mich da auch dagegen ausgesproc­hen. Das ist erfolgt aufgrund einer Initiative des EUParlamen­ts. Ich glaube nicht, dass die Abschaffun­g des 500-EuroSchein­s wesentlich zur Verhinderu­ng von Kriminalit­ät beiträgt. Auch für Bargeld-Obergrenze­n oder Ähnliches gibt es wenige sinnvolle Gründe.

Die Zinsen sind extrem niedrig, die Immobilien­preise hoch. Haben Sie Angst vor einer Blase? Wir haben die Immobilien­märkte unter besonderer Beobachtun­g. In bestimmten Einzelbere­ichen, etwa in der Wiener Innenstadt, haben wir wirklich sehr hohe Wertentwic­klungen. Das sind aber spezielle Sektoren. Wichtiger ist der Bereich der von der breiten Bevölkerun­g benötigten Wohnungen. Da gibt es leider auch eine Verteue- rung. Der wachsenden Bevölkerun­g steht eine gehemmte Wohnbautät­igkeit gegenüber. Da muss etwas geschehen.

Würden Sie jungen Menschen weiterhin raten, auf Kredit Wohnungen zu kaufen? In der Regel werden junge Menschen eher auf Mietwohnun­gen setzen. Aber es ist sicherlich eine günstige Zeit zu kaufen, wenn ich das mit längerfris­tigen fix verzinsten Darlehen machen kann. Der Anteil der fix verzinsten Kredite hat in Österreich auch zugenommen.

Aber es werden immer noch zwei Drittel der Kredite variabel verzinst. Ist das eine Gefahr? Bei variabel verzinsten Krediten muss man sicht bewusst sein, dass sich bei steigenden Zinsen eine zunehmende Belastung ergeben kann. Und irgendwann werden die Zinsen wieder steigen.

Wann denn? Wenn sich die wirtschaft­liche Lage dauerhaft verbessert hat und auch die Inflations­rate dauerhaft den Wert erreicht hat, den wir als Preisstabi­lität definieren: nicht über, aber knapp bei zwei Prozent.

Wenn Sie nach der Zinssitzun­g in Frankfurt bei Wein und Zigarre zusammensi­tzen, besprechen Sie diese Frage sicherlich ganz offen. Auch wenn wir bei Wein und Zigarre zusammensi­tzen sollten, dann ist das nur deshalb so eine gemütliche Runde, weil keine Journalist­en dabei sind. Das müssen Sie bitte verzeihen. Muss man die Eurozone neu aufstellen, reformiere­n, auch angesichts des Brexit? Der Finanzbere­ich ist sicherlich stark betroffen. Es wäre ein Problem, das Finanzzent­rum der EU außerhalb der EU zu haben. Da braucht es Anpassunge­n. Es wird zu Abwanderun­gen aus London kommen. Die EBA, die Europäisch­e Regulierun­gsbehörde, sitzt derzeit in London, ist aber eine EUInstitut­ion.

Soll aus dem ESM ein Europäisch­er Währungsfo­nds entstehen? Das wäre möglich, ist aber keine Maßnahme, die gegen den Internatio­nalen Währungsfo­nds gerichtet ist. Ich persönlich bin der Meinung, dass die EU in der Lage ist, interne Probleme intern zu lösen.

Wir schreiben das Jahr 2022: Großbritan­nien erfreut sich seiner Unabhängig­keit. Die Eurozone dominiert jetzt endgültig in der EU. Wird es zu einer stärkeren politische­n Integratio­n kommen und auch zu neuen Euromitgli­edern? Etwa Polen oder Tschechien? Nach dem geltenden europäisch­en Recht ist es so, dass jedes EU-Mitglied verpflicht­et ist, den Euro zu übernehmen, sobald es die wirtschaft­lichen Voraussetz­ungen erfüllt. Außer es gibt eine Sonderrege­lung, wie sie Großbritan­nien hat. Oder auch Dänemark. Praktisch haben wir gelernt, dass es ganz wichtig ist, bei der Erweiterun­g der Eurozone sehr vorsichtig und streng vorzugehen.

Tendieren Sie eher zu einer Rückkehr zu den Maastricht-Kriterien und einer Stärkung der Verantwort­ung der Nationalst­aaten – oder zu einer stärkeren politische­n Union in Europa? Als Notenbanke­r bin ich Realist. Alles, was eine Änderung des EUVertrage­s erforderli­ch macht, ist derzeit nicht von Relevanz. Es geht jetzt darum, im Rahmen der bestehende­n Regeln konkrete, kleine Schritte zu gehen und das Funktio- nieren des bestehende­n Vertragswe­rkes sicherzust­ellen.

Also braucht Europa keinen Finanzmini­ster? Es wäre langfristi­g schön, aber es ist nicht realistisc­h derzeit.

Es gibt diese Theorie, dass der Euro dazu konzipiert ist, Europa in Richtung einer politische­n Union zu bewegen. Das ist nicht falsch. Es ist sicherlich eine Grundkonze­ption der europäisch­en Integratio­n, dass man zunächst ökonomisch­e Schritte setzt, um in der Folge eine engere politische Bindung zu erreichen. Das war von Anfang an so. Aber im Augenblick muss man sehen, dass Europa in den vergangene­n zehn Jahren einen massiven Erweiterun­gsschritt gemacht hat. Und wir haben gelernt, dass es eine Illusion ist zu glauben, dass man Erweiterun­g und Vertiefung zugleich haben kann.

Ist die aktuelle Situation für die EZB nicht ganz angenehm? Es ist sicher so, dass die EZB derzeit die unabhängig­ste Notenbank der Welt ist. Jede nationale Notenbank kann in ihrer Unabhängig­keit beschnitte­n werden durch nationale Gesetzgebu­ng. Die europäisch­en Verträge können nur einstimmig durch alle EU-Staaten verändert werden. Das ist de facto unmöglich. Die EZB ist also sicherlich sehr unabhängig. Das ist ein Vorteil. Die USA können aber Geldund Finanzpoli­tik besser koordinier­en, weil der Notenbank ein Finanzmini­sterium gegenübers­teht.

Die USA haben zusätzlich den Vorteil, dass sie die Weltwährun­g drucken. Auch der Euro ist eine internatio­nale Währung. Wie sehen Sie da die Entwicklun­g? Der Euro hat sich sehr gut etabliert. Er ist die zweitwicht­igste Reservewäh­rung und wird bei rund 40 Prozent aller internatio­nalen Transaktio­nen verwendet. Auch in diesem Sinn ist der Euro eine Erfolgsges­chichte.

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[ Fabry ] Einen EU-Finanzmini­ster zu haben wäre „schön“, sagt Notenbankc­hef-Ewald Nowotny. Derzeit sei das aber „nicht realistisc­h“.

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